Stresspunktmassage: Serie – Stresspunkt 2 & 3 beim Pferd
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der Behandlung von Pferden, sie begleiten mich schon seit meiner Kindheit. Im Laufe der Zeit bin ich über viele Weiterbildungen zur Ausbildung von Pferd und Reiter auf die Stresspunktmassage nach Jack Meagher gestoßen. Zunächst hörte es sich einfach an, als der Dozent über die Biomechanik des Pferdes sprach, doch dann war ich sehr erstaunt, wie Komplex dieses Thema ist. Bei der Stresspunktmassage handelt es sich um das Erkennen von Problemen in der Arbeit und die damit verbundene Beeinträchtigung der Funktionalität von Bewegungsabläufen.
2. Stresspunkt
Der 2. Stresspunkt (Brachiocephalicus), der Arm-Kopf-Muskel, hat zwei Aufgaben: Zum einen die Seitwärtsbewegung von Hals und Kopf, zum anderen das Zurück- und Niederziehen von Kopf und Hals. Probleme in diesem Bereich treten schleichend auf. Sie werden erst wahrgenommen, wenn der Muskel schon derart verspannt ist, dass es keinen einfachen Weg mehr zurück gibt.
Wie zeigt sich dieses Problem in der Praxis?
In der Anfangsphase fangen die Pferde an, dem Reiter die Zügel aus der Hand zu „klauen“. Einige fangen auch an, mit dem Kopf zu schlagen. Es ist dann zunächst zu überprü- fen, ob es sich wirklich um ein muskuläres Problem handelt oder ob sich etwas anderes wie z. B. Headshaking dahinter verbirgt. Es muss also geprüft werden, ob es sich um Blockaden im neurologischen oder craniosacralen System, oder um mangelnde Beweglichkeit der knöchernen Strukturen am Schädel handelt. Hier sind Tierärzte gefragt.
Muskuläre Verspannung
Bei muskulären Verspannungen stelle ich meistens Muskelverkürzungen auf einer Halsseite des Pferdes fest. Das Pferd schlägt unter dem Reiter mit dem Kopf. Wenn es aber frei in der Halle läuft, tut es das nicht mehr oder kaum mehr. Kommt es zu einer Muskelverkürzung auf der einen Halsseite, ist auf der anderen immer eine Überdehnung des Muskels vorhanden. Die betroffenen Pferde versuchen dies auszugleichen, indem sie den Hals strecken. Ebenso ist ein „Verkanten“ oder ständiges Schiefhalten des Kopfes möglich. Auch stellen sie sich auf einer Hand immer nach außen. Reiter greifen dann sehr schnell zu Schlaufern oder Ähnlichem, um diese „Unart“ zu beenden bzw. zu korrigieren, denn die meisten Reiter und zum Teil auch die Trainer sind sich dem eigentlichen Problem ihres Pferdes gar nicht bewusst. Die Pferde wiederum reagieren nach ihren Möglichkeiten mit Abtauchen, sich verkriechen, hinter der Senkrechten gehen, verkanten und über die Schulter wegdriften. Sie können sich einfach nicht tragen und die Linien halten. Das geht so weit, dass die Pferde nicht mehr gerade gerichtet geritten werden können. Einreiten, Halten und Grüßen wird in der Dressuraufgabe zum ersten Problem, denn die Pferde stehen nicht gerade. Springpferde haben in der Dreierkombination Probleme. Man spricht hier von ,,Seitenwind“, denn auch sie können die Linien nicht halten. Ich habe Pferde in meiner Praxis erlebt, die bei solchen Aktionen ihren Reitern durch ruckartiges Kopfhochschlagen die Nase gebrochen haben. Und auch Reiter, die mit ihrem Bein am Sprungständer hängen geblieben sind, was für den Reiter auf jeden Fall schmerzhafter ist als für das Pferd.
Wie sehen Lösungen für Pferd und Reiter aus?
Wie kann ich feststellen, ob eine Verspannung des Muskels vorliegt? Der Reiter hat mehrere Möglichkeiten und ich möchte mit der einfachsten, dem Möhrchen-Test, anfangen: Der Reiter nimmt sich eine ca. 20 cm lange Möhre und hält sie dem Pferd vor die Nase. Mit langsamer Bewegung geht er dann mit der Möhre Richtung letztem Rippenbogen. Hierbei ist es wichtig, dass er den Kontakt zur Nase des Pferdes nicht verliert und gleichzeitig nicht zulässt, dass das Pferd von der Möhre naschen kann. Ist der Rippenbogen auf gleicher Ebene wie die Nase erreicht, wird die Möhre in Richtung Wirbelsäule bewegt. Erst hier darf das Pferd abbeißen. Das gleiche nun auf der anderen Seite. Jede Übung findet auf jeder Seite 3–5 Mal statt. Es kommt nicht auf die Anzahl der Übungen an, sondern darauf, dass die Übung exakt ausgeführt wird. In der Praxis habe ich oft festgestellt, dass es viel leichter aussieht, als es ist. Begonnen und beendet wird die Übung immer mit der Seite, die dem Pferd am leichtesten fällt. Pferde mit Problemen kommen nicht am Bauch an. Sie versuchen dem Druck auszuweichen. Es sieht aus, als wollte ein kleiner Hund seinen Schwanz greifen, bekommt ihn jedoch nicht. Die Pferde weichen also aus. Hier hat es sich bewährt, sie an eine Wand zu stellen, damit ein „im Kreislaufen“ nicht möglich ist. Um einen guten Erfolg zu erzielen, sollten diese Übungen vor und nach dem Reiten wiederholt werden. Sie haben zum Ziel, das Pferd aufzudehnen.
Eine andere sehr beliebte Methode ist es, dem Pferd die Möhre zwischen die Beine zu halten, sodass es von dort abbeißen kann. Das ist leichter als gedacht, denn der gewollte Effekt besteht darin, die Möhre so zu halten, dass das Pferd den Kopf gerade halten muss und nicht verkantet.
Als weitere Möglichkeit kann man für den Brachiocephalicus, auf dem sich der Stresspunkt 2 befindet, noch folgende Dehnungsübung anwenden: Eine effektive Dehnung erreicht man, wenn man mit beiden Händen das Vorderfußwurzelgelenk umfasst und mit einer leichten Bewegung rückwärts/abwärts Spannung auslöst. Diese Spannung wird maximal 5 Sekunden gehalten und dann langsam gelöst. Hierbei ist es wichtig, dass diese Bewegung parallel zum Pferdekörper ausgeführt wird. Achten Sie als Therapeut auf den Rücken. Pferde, die es unangenehm empfinden, neigen schnell mal dazu, mit einer ruckartigen Bewegung die Position zu verändern, was dem Rücken nicht gut tun würde. Eine andere Option ist es, den betroffenen Muskelansatz mit leichten Zirkelungen und leichtem Druck zu entspannen. Hier haben sich Massagen mit Massageölen bewährt. Die o.g. Dehnungsübungen gebe ich als Hausaufgaben immer den Reitern auf. 3 Massagebehandlungen sollten ausreichend sein, um einen positiven Effekt zu erzielen.
Betroffen von diesen Problemen sind meiner Erfahrung nach insbesondere Freizeitpferde, Dressurpferde und Fahrpferde, weniger die Springpferde. Betroffene Pferde können die kurzen Wendungen nicht mehr absolvieren und neigen dazu, vorbeizulaufen bzw. „Seitenwind“ in Kombinationen zu haben. Pferde, die Probleme mit dem Muskel haben, sollten erfahrungsgemäß 7 Tage lang nicht longiert werden. Auch sollte kein Kringel geritten werden. Angebracht sind Ritte ins Gelände oder Läufe in der Führanlage. Im Anschluss daran kann das ganz normale Training wieder beginnen.
3. Stresspunkt
Der 3. Stresspunkt liegt auf dem vielästigen Muskel (Multifiduscervicus), der sich über dem Arm-Kopf-Muskel (Brachiocephalicus) befindet. Die Hauptaufgabe dieses Muskels ist das Abwenden des Kopfes. Pferde, die Probleme mit diesem Muskel haben, können sich nicht zu einer Seite stellen, da der Muskelansatz auf der anderen Seite liegt. Das bedeutet, dass ein Pferd, das sich nicht links stellen lässt, Probleme am Muskelansatz auf der rechten Seite hat. Sie brechen ebenfalls über die Schulter weg.
Ich werde oft gefragt, warum ich auf der anderen Seite des Problems arbeite. Der Grund ist, dass das Problem immer entgegengesetzt liegt. So lässt sich das Zusammenspiel von Muskelansatz und Funktion und das Ende eines Muskels in der Komplexität seiner Biomechanik erkennen. Großen Erfolg hat man, wenn man in den Bereich des Venenwinkels mit der flachen Hand greift und mit dem Handrücken, dem Muskelverlauf folgend, eine Druckmassage ausführt. Erleichtert wird diese Massage, wenn das Pferd den Kopf zur behandelnden Seite dreht. Ein Massageöl, das durchblutungssteigernd und schmerzlindernd wirkt, ist dabei von Vorteil (z. B. Rosskastanie, Gänseblümchen). Bei Sportpferden aber bitte an Doping denken und immer erst nachfragen.
Beim Stresspunkt 3 können Sie auch Möhren für die Dehnungen verwenden, ebenso die oben angeführten Übungen. Beide Muskeln liegen am Pferdehals nebeneinander. Wenn das Pferd das mag und es zulässt, lässt sich auch ein elektrisches Massagegerät gut anwenden. Wärme mit Rotlicht oder Strom ist ebenfalls eine gute Möglichkeit, um Muskelprobleme zu beheben.
Fortsetzung folgt
Wir haben damit alle Stresspunkte des Kopfes und Halses behandelt, sodass wir beim nächsten Mal zur Schulter übergehen können.
CORNELIA LEETZ
AGRARÖKONOMIN, TIERHEILPRAKTIKERIN EIGENE PRAXIS IN GROSS DRATOW
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