Kaninchen-Senioren und ihre Bedürfnisse
Nach Hund und Katze sind die beliebtesten Haustiere kleine Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und Chinchillas. Die Haltungsformen dieser Tierarten variieren derzeit noch stark, wobei sich glücklicherweise artgerechte Haltung und Ernährung immer stärker durchsetzen. Im Folgenden wird die Lebenssituation von Kaninchen und deren Bedürfnisse in der zweiten Lebenshälfte betrachtet.
Wann und wie fängt das Seniorenalter an?
Durchschnittlich werden Kaninchen 10 Jahre alt, wobei die Lebenserwartung von verschiedenen Faktoren, wie z. B. der Rasse, abhängt. So können Zwergkaninchen auch 12 oder 13 Jahre alt werden, während größere Kaninchen äußerst selten älter als 7 Jahre werden. Je nach Literatur gelten Kaninchen ab 5 oder 7 Jahren als Senioren.
Zu beobachten sind dann meist schon einige Veränderungen, die allerdings nicht auf alle Tiere in Verbindung mit dem Alter zutreffen. So nimmt der Bewegungsdrang z. B. oft ab, häufig bedingt durch Arthrosen in Sprunggelenken oder Spondylosen (degenerative Veränderung) an der Wirbelsäule. Die Tiere bewegen sich schmerzbedingt weniger, hüpfen nicht mehr auf erhöhte Plätze oder schaffen es nicht, ihr Fell vollständig zu putzen. Den Tierbesitzern fällt manchmal auf, dass sich die Tiere mit den Hinterläufen nicht mehr an den Ohren kratzen können oder das Gesicht nur noch mit einer Vorderpfote geputzt wird, während die andere den Körper stützt. Durch den altersbedingten Abbau und die geringere Bewegung kommt es zum Muskelschwund, den Tierhalter v. a. an der Wirbelsäule bemerken, die dann besser sicht- und tastbar wird.
Sichtbare Zeichen
Das Fell in der Analregion ist häufig verklebt und Blinddarmkot wird nicht mehr aufgenommen. So wird verstärkt Fellpflege durch den Halter notwendig, ebenso wie eine tägliche Kontrolle bzw. das tägliche Säubern des Afterbereichs. Auch Inkontinenz (häufig Harninkontinenz) führt zu Mehrarbeit des Besitzers, genauso wie Durchfall, der beim alten Tier durch schlechtere Verdauungsleistung des Darms und verminderte Wasser-Resorptions-Fähigkeit begünstigt wird. Wird das verklebte Fell nicht täglich gereinigt und getrocknet, tritt in der Regel im Frühling und im Sommer Madenbefall auf, der den Tieren große Qualen bereitet und meist zum Tod führt.
Außengehege
Sind ältere Kaninchen gesund und haben ausreichend dichtes Winterfell entwickelt, können sie unter täglicher Kontrolle weiter im Außengehege leben. Allerdings kommt es häufig vor, dass das Winterfell weniger dicht ausgeprägt ist als in jungen Jahren oder dass die Tiere Probleme haben, bei sehr kaltem oder feucht-kaltem Wetter ihre Körpertemperatur zu halten. Als Folge kommt es zu Muskelzittern, Apathie und erhöhter Krankheitsanfälligkeit. Dann müssen die Tiere umgehend auf Innenhaltung umgestellt werden. In manchen Fällen hilft es, wenn man den Tieren erlaubt, sich im Spätsommer und im Herbst etwas mehr Winterspeck als üblich anzufressen, da der Speck als isolierende Schicht fungiert. Keinesfalls darf das ins Gegenteil umschlagen, sodass die Tiere am Ende stark übergewichtig werden. Übergewicht begünstigt die Entstehung von Arthrose, verschlechtert eine bestehende Arthrose und führt häufig zum Krankheitsbild der Fettleber. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Gewichtskontrolle (optimal 1 x monatlich) sind bei Kaninchen-Senioren sehr wichtig.
Gewicht und Zahnprobleme
Während tatsächlich die meisten älteren Tiere eher übergewichtig werden, kann auch der gegenteilige Effekt eintreten, dass ein Tier stark abnimmt. Die häufigsten Ursachen sind Probleme mit den Zähnen, mit der Verdauung oder Nierenerkrankungen. Werden Kaninchen nicht mit passendem Futter versorgt, entstehen unweigerlich Zahnprobleme wie Zahnspitzen oder abgebrochene Zähne. Je länger ein Tier falsch ernährt wird (zu wenig Heu/frisches Wiesenfutter), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Probleme mit den Zähnen auftreten. Somit erklärt sich das gehäufte Auftreten von Zahnproblemen im Alter.
Alterskrankheiten
Wie andere Tierarten leiden auch Kaninchen unter diversen alterstypischen Erkrankungen wie Grauer Star oder Herzerkrankungen/Herzmuskelschwäche. Ebenso wird von Symptomen berichtet, die denen eines demenzkranken Hundes ähneln. So bemerken Halter immer wieder, dass ihr altes Kaninchen minutenlang in einer Position verharrt, ohne dass ein Grund dafür ersichtlich ist. Das Tier „erstarrt“ mitten im Putzen, beim Fressen oder vor dem Wassernapf und bewegt sich nicht, geht aber anschließend derselben oder einer anderen Beschäftigung nach.
Handling älterer Kaninchen
Es ist wichtig, jeglichen Stress zu vermeiden (ganz besonders bei Tieren mit gesundheitlichen Problemen) und keinen unnötigen Partnerwechsel vorzunehmen. Trotzdem darf ein fortgeschrittenes Alter auf keinen Fall als Ausrede dienen, ein Tier alleine leben zu lassen, denn Kaninchen sind extrem gesellig und sollten immer mindestens zu zweit gehalten werden. Auch wenn man sich dazu entschieden hat, die Kaninchenhaltung aufzugeben, sollte das letzte Tier nicht alleine leben. Neben der Möglichkeit, es mit einem anderen alleine lebenden Senior zu vergesellschaften, gibt es auch die Möglichkeit, ein „Leihkaninchen“ bei sich leben zu lassen. Dieses Tier lebt so lange bei einem, bis das eigene Kaninchen stirbt, und wird dann an seinen Eigentümer zurückgegeben. Dieses Leihtiere stammen aus artgerechter Haltung und werden nur zu passenden Kaninchen vermittelt.
Ernährung
Artgerechtes Futter ist bei Senioren enorm wichtig, um Zahn- und Verdauungsproblemen vorzubeugen. Ein hoher Wasseranteil des Futters (viel Wiesenfutter im Sommer/Salate und Kohlsorten im Winter) sorgt für gutes Durchspülen der Nieren. Der Zugang zu Futter und Wasser sollte gerade bei Senioren möglichst komfortabel sein. Wenn die Tiere in jüngeren Jahren noch animiert wurden, sich ihr Futter zu erarbeiten, sollte es im Seniorenalter einfach zugänglich und leicht verfügbar sein. Die Fütterung aus niedrigen Heuraufen oder direkt vom Boden bietet sich bei älteren Tieren an, ebenso wie die Verwendung flacher Pflanzenuntersetzer als Futterschale statt Näpfe mit hohen Rändern. Wasser kann ebenfalls in diesen flachen Schalen angeboten werden, sofern sie wasserundurchlässig sind.
Ist es nötig, ein Tier mithilfe von Futter „aufzupäppeln“, eignen sich Haferflocken oder weiche Sämereien wie Kolbenhirse bis zu einer Menge von 1 EL pro Tier und Tag über mehrere Wochen (Menge langsam steigern). Allerdings sollte der Anteil an der gesamten Ration nicht überhand nehmen, da sonst ein ungünstiges Calcium-Phosphor-Verhältnis entsteht, das diverse Erkrankungen nach sich ziehen kann. Täglich ein kleines Stück Banane (ca. 3 cm) erhöht die Kalorienzufuhr deutlich, wird aber von manchen Kaninchen nicht gut vertragen.
Haltung
Ein oft auftretendes Problem bei Innenhaltung ist das Wegrutschen der Tiere beim Aufstehen oder beim Hoppeln auf glatten Böden. Hierbei schmerzen dann die erkrankten Gelenke, sodass die Tiere anfangen, Bewegung zu vermeiden oder sich nur sehr langsam bewegen. Beides ist nicht im Sinne der Gesunderhaltung und sollte unterbunden werden. Abhilfe kann durch verschiedene Bodenbeläge geschaffen werden. So kann das Innengehege der Tiere mit altem Teppichboden belegt werden (Achtung, nur bei stubenreinen Tieren!) oder man wählt einen PVC-Boden, der mit waschbaren Baumwollteppichen ausgelegt wird. Wichtig ist, dass das Material nicht angeknabbert werden kann, da die meisten Stoffe für Kaninchen unverträglich sind (z. B. Farbstoffe) oder schwere Verdauungsstörungen auslösen (z. B. Teppichbodenfasern) können.
Jährlicher Check
Ratsam ist es auch, ältere Tiere jährlich einem Check zu unterziehen, der eine Blutuntersuchung, eine Überprüfung der Seh- und Hörfähigkeit sowie eine Endoparasiten-Kontrolle beinhaltet. Ist die Kontrolle der Sehfähigkeit auffällig, sodass sichergestellt ist, dass das Tier einen Teil seiner Sehfähigkeit eingebüßt hat, ist es wichtig, seinen Lebensraum nicht mehr gravierend umzugestalten. Werden immer wieder Gegenstände wie Futterschüsseln, Heuraufen oder Unterschlüpfe versetzt, ist das Tier Stress ausgesetzt und läuft vielleicht orientierungslos gegen Einrichtungsgegenstände. Daher sollte man in diesen Fällen das Gehege bis auf regelmäßig frische Knabberzweige unverändert lassen.
Fazit
Auch ältere Kaninchen sind wunderbare Haustiere und verdienen unsere volle Aufmerksamkeit und Pflege. Wenn man einige Dinge beachtet und auf ihre Bedürfnisse eingeht, können sie glücklich und mit guter Lebensqualität ein hohes Alter erreichen. Und wenn sie in späten Jahren immer noch mit ihrem Kaninchenfreund kuschelnd in der Sonne liegen oder fröhlich durch ihr Gehege hoppeln, werden wir für unsere Mühe doch allemal entlohnt!
INA SCHIMANSKI
TIERHEILPRAKTIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
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