Hüftgelenksdysplasie beim Hund
Die Hüftgelenksdysplasie (HD) ist eine Anomalie des Hüftgelenkes, die sowohl beim Menschen als auch beim Tier auftreten kann und in ihrer Entwicklung von verschiedenen Faktoren abhängt. Viele Forscher haben sich über Jahre hinweg intensiv mit genetischen, biochemischen und metabolischen Einflüssen bei der Entstehung einer HD beschäftigt, die genaue Ursache konnte jedoch (noch) nicht eindeutig geklärt werden.
Die HD des Hundes entsteht nicht im Mutterbauch
Im Gegensatz zum Menschen sind die langen Röhrenknochen, zu denen z.B. der Oberschenkelknochen gehört, von Hundewelpen im Mutterbauch sehr kurz, sodass mechanische Drücke auf die Hüftgelenke keine Auswirkungen haben. Somit wird jeder Welpe mit gesunden Hüftgelenken geboren. Beim Menschen hingegen sind diese Knochen schon im Mutterbauch sehr lang, sodass hier bereits bei Geburt eine Hüftgelenksdysplasie vorliegen kann.
Wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass die entstehenden Knochenveränderungen bei Vorliegen einer HD besonders bei den Hunden zu beobachten sind, deren Bindegewebe im Rahmen der Entwicklung nicht genügend Kraft aufweist, um die Kongruenz zwischen den gelenkbildenden Knochenanteilen aufrechtzuerhalten. Dies trifft insbesondere auf schnell wachsende und große Hunderassen zu, obwohl die Hüftgelenksdysplasie prinzipiell bei jeder, also auch kleinen Rassen sowie bei Katzen auftreten kann. Insgesamt besteht eine enge Korrelation zwischen Körperform und -größe, Wachstumsrate, Quantität des Unterhautfettgewebes, Zustand des Bindegewebes und der Beckenmuskulatur. Interessant ist die Tatsache, dass die HD bei wildlebenden Fleischfressern wie Füchsen und Wölfen nicht vorkommt. Das lässt sich dadurch erklären, dass diese Welpen langsam wachsen und erst spät heranreifen.
Die Muskulatur wächst langsamer als das Skelett
Die unterschiedliche Ausprägung der Beckenmuskulatur zwischen Hunden mit anatomisch normalen Hüftgelenken und Hunden mit Hüftgelenksdysplasie unterstützt die Theorie, dass die biochemische Fehlfunktion in Bezug auf Muskelwachstum und Knochenwachstum eine HD verursacht. Es hat sich gezeigt, dass Entwicklung und Wachstum der Muskulatur langsamer erfolgen als Entwicklung und Wachstum des Skeletts. Die relative Abnahme der Muskelmasse und -stärke kann somit in direkten Zusammenhang mit der Instabilität der Hüfte gebracht werden. Bei der Entwicklung und der klinischen Symptomatik der HD spielt auch das Alter des Hundes eine entscheidende Rolle. Bei jungen Hunden kommt es zu einem plötzlichen Auftreten von ein- oder beidseitigen Beschwerden mit Lahmheit, während ältere Hunde an den Folgen einer sich sekundär entwickelnden Arthrose leiden.
Eliminierung der Hüftgelenksdysplasie durch HD-freie Zucht
Nach Meinung vieler Genetiker ist für eine HDPrädisposition der Hunde die genetische Zusammensetzung der Hunde bestimmter Rassen ausschlaggebend, da sehr viele der bis heute analysierten Gene Einfluss auf die Knochenstruktur nehmen.
Die Ausbreitung der Hüftgelenksdysplasie ist demnach begründet durch die genetische Übertragung und die direkte Vererbung bestimmter Komponenten, wie Körpergröße, Typ, Gestalt, Bewegungsart, Wachstumsfaktoren und Temperament der Tiere. Aus dieser Erkenntnis resultiert der Gedanke, die Hüftgelenksdysplasie durch Zuchtprogramme mit ausschließlich HD-freien Hunden zu eliminieren.
Die Röntgenaufnahme als Standard für die Diagnose
Viele Zuchtverbände schreiben heutzutage den Besitzern entsprechender Hunderassen vor, zur HD-Diagnostik eine Röntgenbeurteilung der Hüftgelenke durchführen zu lassen und das Ergebnis dem Zuchtverband mitteilen zu müssen.
Diese Röntgenaufnahmen werden in dafür genehmigten Instituten angefertigt und entscheiden darüber, ob ein Hund zur Zucht zugelassen wird oder nicht. Angefertigt wird so eine Röntgenübersichtsaufnahme in Rückenlage des Hundes mit gestreckten Hintergliedmaßen, die parallel zueinander, aber auch parallel zur Röntgentischoberfläche gelagert sein müssen. Zusätzlich wird eine Aufnahme mit gebeugten Hüftgelenken, eine sog. Froschaufnahme, angefertigt, da diese eine differenziertere Beurteilung des Schenkelhalses ermöglicht und lippenförmige Knochenwucherungen am Hüftkopf gut erkennen lässt.
Zur Einteilung der Befunde in verschiedene Schweregrade werden in allen zugelassenen Instituten festgelegte Schemata verwendet, die ab der Beurteilung „C“ einen Zuchtausschluss zum Ergebnis haben. Zur Zucht zugelassen sind also nur Hunde, die mit „A“ oder „B“ bewertet werden.
Zur Auswertung des Ausmaßes der Hüftgelenksdysplasie kann zusätzlich eine Ganganalyse durchgeführt werden, wobei der Gang des Hundes und damit der Grad der Lahmheit exakt bestimmt werden kann. Moderne Hundelaufbänder bieten die Möglichkeit einer exakten dreidimensionalen Gangbilddarstellung mit anschließender Computeranalyse, sodass auch im Fall einer beidseitigen Lahmheit durch beidseitige HD die schwerwiegendere Seite identifiziert und zuerst operativ behandelt werden kann.
Therapiemöglichkeiten
Der Hüftgelenksersatz zählt bei sicher diagnostizierter HD beim großen Hund zur Methode der Wahl. Anders als beim Menschen stehen Hunde nach Einsetzen einer Hüftgelenksendoprothese bereits am Tag nach der Operation wieder auf ihren Beinen und können an der Leine kurz nach draußen geführt werden. Leinenpflicht besteht für etwa sechs Wochen, danach erfolgt eine Röntgenkontrolle. Falls diese ohne besondere Auffälligkeiten ist, kann der Hund wieder ohne Leine laufen. In der Regel kommen Hunde mit einem Hüftgelenksersatz sehr gut zurecht. Die Prothesen halten aufgrund der geringeren Lebenserwartung als beim Menschen ein Leben lang und müssen niemals ausgewechselt werden.
Bei mittelgroßen oder kleineren Rassen kann alternativ zur Endoprothetik eine Femurkopf-Hals-Resektion durchgeführt werden. Dabei wird der Oberschenkelkopf entfernt und das Hüftgelenk als reine Bindegewebsstruktur zusammengehalten. Das funktioniert erstaunlicherweise so gut, dass in der Regel mit bloßem Auge kein Unterschied zum gesunden Gelenk zu erkennen ist und der Hund sich wieder ganz normal bewegen kann. Voraussetzung ist aber im mer, dass Größe und Gewicht des Hundes diese Operationsart zulassen.
Bleibt die HD unbehandelt, resultiert langfristig eine Hüftgelenksarthrose (Coxarthrose), die Schmerzen verursacht. Die HD kann zwar auch durch eine späte Operation beseitigt werden, die Arthrose bleibt aber erhalten.
Alternative Arthrosetherapie
Die Behandlung der Arthrose zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern und die Funktion des Gelenkes so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Einige in Akupunktur ausgebildete Kollegen setzen die Goldakupunktur als Sonderform der herkömmlichen Akupunkturbehandlung ein. Anstelle von Akupunkturnadeln, die nur zeitlich begrenzt Schmerzen unterdrücken können, werden 24-karätige, 1 Millimeter große Goldkugeln unter Narkose über einen Trokar an bestimmte Akupunkturpunkte angebracht. Diese Goldkugeln können dabei ganz dicht an der Gelenkkapsel oder fern vom kranken Gelenk an den Gliedmaßen liegen. Sie bewirken eine Dauerakupuktur, sodass die Schmerzleitung ein Leben lang gehemmt bleibt und der Hund wieder beschwerdefrei laufen kann.
DR. ISA FOLTIN
TIERÄRZTIN
DIPLOM-JOURNALISTIN
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Medizinjournalismus für Pharmafirmen, Wissenschafts- und Publikumsmedien, vergleichende Radiologie bei Mensch und Tier, Spezialgebiet Kernspintomographie, Dozentin an den Paracelsus Schulen
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