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Psychosomatik in der Tierheilpraxis: Gedanken vom tier-menschlichen Diwan

MONIKA HEIKE SCHMALSTIEG IM GESPRÄCH MIT TIERARZT UND HEILPRAKTIKER FÜR PSYCHOTHERAPIE JÖRG SOSSENHEIMER

JÖRG SOSSENHEIMERHerr Sossenheimer war von 1988 bis 2010 als Tierarzt in eigener Praxis niedergelassen. Ab 2000 erfolgte eine sukzessive Umstrukturierung der Praxis von der klassischen Tierarztpraxis zur alternativmedizinischen Naturheilpraxis. Er absolvierte Weiterbildungen in Homöopathie, Akupunktur, Bach-Blütentherapie, Psychotherapie uvm. Seit 2011 ist Herr Sossenheimer auch als Heilpraktiker für Psychotherapie und als Dozent an den Paracelsus Schulen tätig. Sein Hauptinteresse liegt in der Entschlüsselung der interaktiven, energetischen Prozesse Mensch/Mensch, Mensch/Tier und deren Nutzung im diagnostischen und therapeutischen Bereich.

Monika Heike Schmalstieg
Lieber Herr Sossenheimer, was war Ihre Motivation, die klassischen schulmedizinischen Behandlungsformen bei Tieren zu verlassen?

Jörg Sossenheimer
Es waren die vielen Krankheitsfälle, in denen die klassischen schulmedizinischen Therapieformen nur vorübergehende Erfolge brachten. Zahlreiche Fälle, in denen die Patienten bereits mehrfach mit den gleichen Mitteln vorbehandelt waren, das Symptom aber immer wieder zurückkehrte. Es ließ vermuten, dass hinter den mit klassischen Methoden ermittelten Ursachen wohl noch tiefere zu finden sein mussten.

Monika Heike Schmalstieg
2001 durfte ich dem Seminar „Familienstellen mit Tieren“ mit Ihnen beiwohnen. Sind die Inhalte Grundlage für Ihren jetzigen Weg im Bereich der Psychosomatik?

Jörg Sossenheimer
Foto: montserrat117 – FotoliaEher umgekehrt. Die Psychosomatik machte mir deutlich, dass es eine untrennbare Verbindung zwischen Körper und Seele gibt. Durch diese Verbindung wird Körperliches zu Seelischem und Seelisches zu Körperlichem. Misshandeln wir unsere Seele, versucht sie sich bemerkbar zu machen und wird irgendwann so laut schreien, dass wir es nicht mehr überhören können. Im schlimmsten Fall entstehen körperliche Symptome oder Krankheiten. Familienstellen ist eine gute Methode, die Botschaften unserer Seele hör- und erfahrbar zu machen. Meist erst, wenn die Krankheit bereits da ist, besser wäre es vorher.

Monika Heike Schmalstieg
Haben die meisten chronischen Erkrankungen beim Menschen oder unseren Haustieren einen psychosomatischen Hintergrund?

Jörg Sossenheimer
Dazu möchte ich ein Bild beschreiben. Nehmen wir an, die Küche – also der Raum mit allen Geräten und allen Zutaten – ist der Körper. Der Koch darin ist die Seele. Wenn die Suppe versalzen ist oder das Gemüse angebrannt, ist das eher ein körperliches Problem oder ein seelisches? Auch wenn die Symptome stofflich sind, liegen doch die Ursachen bei der Seele der Küche, dem Koch. Einmalige akute Ereignisse können ein zufälliges Geschehen sein, aber wenn den Speisen chronisch jegliche Würze fehlt, geht es dem Koch nicht gut. Wie wichtig die Rückwirkung seelischer Gesundheit auf unseren Körper ist, zeigen immer mehr wissenschaftliche Studien, und dies gilt auch für unsere vierbeinigen Freunde.

Monika Heike Schmalstieg
Welchen psychischen Hintergrund spiegeln die einzelnen Organsysteme wider und wie können Sie daraus Ihren Weg zur Auflösung dieser Probleme entwickeln?

Jörg Sossenheimer
201601 Diwan3Das sprengt jetzt leider den Rahmen des Interviews, daher hier nur ein plausibles Beispiel: Unser Herz kennen wir als Symbol der Liebe. Es schlägt für jemanden oder es bleibt uns vor Schreck stehen, es hüpft vor Freude oder zerbricht an unserem Leid. Das stoffliche Herz und somit die Krankheiten des Herzens zeigt uns an, wenn wir Probleme haben, mit unseren Gefühlen adäquat umzugehen. Entweder setzten wir uns permanent extremen emotionalen Situationen aus, z. B. um endlich geliebt zu werden, oder wir haben nicht gelernt, gut mit emotional belastenden Situationen umzugehen. Da wir das auf Dauer nicht aushalten können, verdrängen wir es ins Unbewusste, z. B. indem wir den kognitiven Trick benutzen, das Problem klein zu „denken“. Sätze wie „Das ist doch halb so schlimm“, „Männer weinen nicht“ oder „Stell dich nicht so an“ sind uns alle wohlbekannt. Und dann beginnt der Ruf der Seele, den wir meist überhören, weil wir uns sonst eingestehen müssten, was wir alles mit uns anstellen. Genau das jedoch ist der Beginn der Auflösung und der Heilung: Anerkennen, dass wir auf seelischer Ebene etwas in den Keller verbannt haben, dieses Etwas hervorkommen lassen, auch wenn es schmerzt, weil dieses Etwas ziemlich sauer ist. Natürlich sollten wir vermeiden, es mit den oben genannten Sprüchen wieder in die Versenkung zu schicken. Um die Botschaften der Seele zu verstehen, braucht es fundierte Kenntnisse der Symboliken, der Archetypen, viel Einfühlungsvermögen und Fantasie. Ob es unser Verdauungstrakt ist, der etwas darüber sagt, wie wir das, was wir aufnehmen, verdauen, oder unsere Knochen, die über unsere Festigkeit und Stabilität Zeugnis ablegen, unsere Füße, die zeigen, wie wir durchs Leben schreiten, oder unsere Nieren, die das Gift aus unserem Körper entfernen, alles Körperliche hat eine Analogie im Seelischen. Diese zu finden und zu bearbeiten ist die Kunst der Psychosomatik.

Monika Heike Schmalstieg
Spiegeln die Tiere die Psychosymptomatik ihrer Besitzer wider?

Jörg Sossenheimer
In der modernen Psychologie nehmen die systemischen Ansätze immer mehr Raum ein. Es wird anerkannt, dass ein Lebewesen nicht alleine auf der Welt ist. Die Beeinflussung unserer psychischen Struktur beginnt früh und wird von einer Vielzahl von Personen geprägt. Am stärksten durch Modelllernen. Am einfachsten kann man das bei jungen Tieren sehen, die von Müttern einer fremden Art aufgezogen werden, möglichst noch gemeinsam mit Altersgenossen der anderen Art. Hier lernt der Zögling schnell artfremdes Verhalten und behält es bei. Dies gilt auch für Verhaltensstörungen innerhalb der gleichen Art, auch sie werden früh erlernt von menschlichen wie von tierischen Kindern. Da Tiere dazu neigen, sich ihren Besitzern anzupassen, und nicht umgekehrt, werden sie früher oder später auch deren psychisches Fehlverhalten spiegeln und in weiterer Folge die daraus resultierende Somatisierung. An dieser Stelle muss ich auf die energetischen Interaktionen verweisen. Alles Beschriebene benötigt die energetische Theorie nicht. Allerdings gibt es zwischen Tieren und Bezugspersonen Interaktionen, die sich nur über eine energetische oder feinstoffliche Theorie erklären lassen, z. B. dann, wenn ein Mensch mit einer bestimmten Erkrankung mehrfach, ohne das zu wissen, ein Tier zu sich holt mit derselben Erkrankung oder zumindest der gleichen Anlage. In den 22 Jahren meiner Tierarztpraxis habe ich das sehr oft erlebt. Hier greift der Ansatz des Modelllernens nicht, an dieser Stelle müssen wir weitergehen und über den Tellerrand schauen.

Monika Heike Schmalstieg
Was raten Sie einem Tierheilpraktiker, um den Weg zur Psyche des Tierbesitzers zu finden?

Jörg Sossenheimer
Die wichtigste Fähigkeit ist eine gute Beobachtungsgabe, die kann man trainieren. Es geht um genaues Beobachten und das Kennen der Symboliken, die in der Wahl der Tierart und der Rasse zu uns sprechen. Es geht darum, zuhören zu können und die Fäden zu verknüpfen. Die zweite Fähigkeit ist Geduld. Unter Zeitdruck öffnet sich keine Seele. Es braucht gerade am Anfang viel Zeit und wahres Interesse. Gruppendynamiken sind sehr hilfreich. Wie man die Gruppen zusammenbringt, ist meist etwas knifflig, aber es empfiehlt sich für einen Tierheilpraktiker, der auf der psychosomatischen Ebene arbeiten möchte, auch den edukativen Bereich in seine Arbeit einzubeziehen. Ob Welpenschule oder Agilitykurse – es entstehen Gruppen und Erfolgserlebnisse und das öffnet die Seelen der Tiere und ihrer Besitzer. Mittel der Wahl ist für mich Aufstellungsarbeit. Der Zugang, der hierbei in relativ kurzer Zeit erarbeitet werden kann, ist sehr groß.

Monika Heike Schmalstieg
Sie stellen die Psychosomatik in der Tierheilpraxis am 20. März auf dem Tierheilpraktiker-Kongress in Lindau vor. Ist auch eine Tournee bis in den Norden geplant?

Jörg Sossenheimer
Nun, mit Tourneen ist das so eine Sache, man ist dabei in der Regel lange nicht zu Hause, dort bin ich aber sehr gerne und fühle mich am wohlsten. Über kleine Ausflüge, ob in den Süden oder Norden, freue ich mich hingegen sehr. Ich bin sicher, Sie werden genügend Interessenten finden, um mich bald mal aufs Gut Rosenbraken einzuladen.

Monika Heike Schmalstieg
Vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg in Lindau! Und natürlich freuen wir uns darauf, Sie im Sommer auf der VDT-Akademie Gut Rosenbraken zu begrüßen!

Fotos: © Moskalev – Fotolia, ms-grafixx – Fotolia, okalinichenko – Fotolia

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