Hunde können Leben verändern - Eine persönliche Geschichte
Mein Name ist Attilio und ich bin 28 Jahre alt. Seit Kurzem wohne ich zusammen mit meinem Hund Lion in einem kleinen Örtchen namens Großenhausen. Ich wurde in Wiesbaden geboren und bin dort auch aufgewachsen. Von meinem 8. – 15. Lebensjahr lebte ich in verschiedenen Wohngruppen. Ich habe in dieser Zeit nicht nur viele Menschen kennengelernt, sondern auch viele Tiere, besonders Hunde.
MEINE ERSTE HUNDEBEGEGNUNG
Das erste Jahr in einer Wohngruppe war für mich etwas ganz Besonderes, da ich dort zum ersten Mal in Kontakt mit Hunden kam. Unsere Erzieher, die in 3-Tage-Schichten arbeiteten und sich um uns kümmerten, hatten ihre sieben ausgewachsenen Huskys mit, was für mich zuerst sehr erschreckend war, auch wenn sie mich einfach nur liebevoll anschauten, als wollten sie mir sagen: „Ich tue dir nichts, du darfst mich ruhig streicheln, ich erlaube es dir!“ Dennoch hatte ich Angst. Ich sah zu, wie alle Hunde ihre Mahlzeiten bekamen, und eines Tages wollte ich mutig sein und Kontakt zu einem der Hunde aufnehmen. Leider suchte ich mir dafür den falschen Moment aus, denn ich wollte einen Hund streicheln, als er beim Fressen war. Seine Reaktion kann man sich denken. Zum Glück ist mir nichts passiert, denn Odin (das Alpha-Tier) knurrte mich nur an, zeigte mir dabei aber seine großen, spitzen Zähne. Das war Warnung genug. Ich bekam erklärt, dass man den Hund und sein Territorium respektieren soll, und dazu gehört vor allem die Futteraufnahme.
EINE SCHMERZVOLLE ERFAHRUNG
Mit 15 zog ich zurück nach Wiesbaden zu meinen Eltern. Kurz darauf holte sich meine Mutter einen Yorkshire-Terrier-Welpen ins Haus. Ich war sehr glücklich, unternahm viel mit ihm und versuchte, ihn kennenzulernen. Wir hatten zwei Jahre lang eine tolle Zeit, bis meine Mutter entschied, ihn wegzugeben, weil sie mit ihm keine Geduld hatte. Alles Betteln half nichts, ihre Entscheidung stand. Ich weinte monatelang und wollte keinen Hund mehr haben, bevor ich nicht eine eigene Wohnung hatte und mich selbst um ihn kümmern konnte. Auch, weil ich Angst hatte, jemand würde ihn mir wieder wegnehmen.
Leider erfuhr ich ständig solche negativen Erfahrungen im Leben, immer wieder wurde mir etwas weggenommen, immer wieder gab es Menschen, die mich enttäuschten, die mir sagten, dass ich nicht gut genug bin, seltsam aussehe, und mir einredeten, nichts wert zu sein.
Das alles schlug sich auf meine Psyche nieder und ich entwickelte eine Depression, fing an, viel und ungesund zu essen: Chips, Schokolade und Fastfood. Ich fragte mich, wieso die Menschen mit mir nicht glücklich waren, was an mir falsch war und was ich besser machen könnte, damit man mich liebt und akzeptiert, so wie ich bin. Ich dachte, wenn ich geliebt werden möchte, dann sollte ich etwas an mir ändern. Plötzlich war ich zu dick und mir sicher, dass übergewichtige Menschen in unserer Gesellschaft nun mal nicht beliebt sind und immer ausgestoßen werden. Also redete ich mir ein, dass das der Grund ist, warum alle so böse zu mir waren. Ich fing an, Essen zu meiden. Und wenn ich doch mal etwas aß, lief ich zur Toilette und übergab mich. So ging das immer weiter, bis ich überhaupt nichts mehr aß und mich innerhalb von einem halben Jahr von 90 kg auf nur noch 40 herunterhungert hatte.
Plötzlich bekam ich Aufmerksamkeit. Die Leute sagten mir, dass ich ihnen Leid täte und ich solle doch etwas essen. Sie wollten mich sogar einladen und mir etwas Gutes tun. Das war es ja letztlich, was ich suchte und brauchte, doch leider machte mich das auch nicht lange glücklich. Gesundheitlich ging es mir immer schlechter und die Ärzte sagten mir, dass es für mich nicht gut ausgehen würde, wenn ich mein Leben nicht dringend ändere. Das machte mir Angst. Ich fing an, Sport zu treiben, Gewichte zu heben und mich langsam, Schritt für Schritt und mit sehr viel Mühe, wieder an das Essen zu gewöhnen. Ich nahm zu und fühlte mich besser, und langsam schienen auch die Menschen mich zu mögen und zu akzeptieren, so wie ich bin.
Mein eigenes Zuhause
Mit 22 Jahren zog ich in meine eigene Wohnung. Das erste Jahr war allerdings überhaupt nicht schön, ich fühlte mich alleine, bekam wieder Depressionen und fiel in alte Muster zurück. Was fehlte mir? Wieso konnte ich nicht glücklich sein? Da kam mir ein Blitzgedanke: Ein Hund! Ich brauchte einen Hund in meinem Leben, um den ich mich kümmern und dem ich meine Liebe schenken kann. Es sollte kein Welpe sein. Ich wollte unbedingt einen Hund aus dem Tierheim retten, und machte mich auf die Suche. Im Internet habe ich viele Hundeanzeigen studiert, jedoch keine von einem Tierheim gefunden. Irgendwann las ich schließlich die Anzeige über eine Golden-Retriever-Hündin. Ich rief an. Es meldete sich eine nette Dame, der ich mein Interesse am Retriever bekundete. Sie sagte mir, die Hündin wäre schon zehn Jahre alt, und ich bräuchte wohl einen Hund, der noch jung ist, mit dem ich noch arbeiten kann. Sie schickte mir eine E-Mail mit einer Adresse zu Hunden, die in einem russischen Tierheim lebten und ein neues Zuhause suchten. Beilage waren viele Bilder und Informationen zu den Hunden. Ich sah mir einen nach dem anderen an und entschied mich für einen kastrierten Rüden, der sofort mein Herz erobert hatte. Ich wusste, wir gehören zusammen!
Liebe auf den ersten Blick
Nachdem ich alle Papiere, die benötigt wurden, ausgefüllt hatte, war mein Seelenverwandter schon auf dem Weg zu mir. Ich war so glücklich und aufgeregt! Ich dachte ständig darüber nach, wie er wohl sein würde, ob er mich mögen und auch lieben wird? Und das tat er vom ersten Moment an, als er am 24.12.2015 gegen Mitternacht bei mir ankam. Er saß in einer Box. Als die Tür aufging, kam er heraus und sprang auf mich zu. Ich hatte keine Angst, nein, ich war verliebt in ihn, in sein Aussehen und seine Größe. Er war zehn Monate alt, sah aus wie ein Löwe, genau so sollte er auch heißen: Lion.
Zuhause angekommen, schaute er sich in der Wohnung um, lernte mich und sein neues Zuhause kennen. Wir fingen mit dem Training an. Ich hatte zwar nicht viel Erfahrung darin, wie man einen Hund erzieht, aber ich gab mein Bestes. Tag für Tag lernten wir uns besser kennen, das Vertrauen wurde immer größer und wir wurden zu einem richtigen Team. Lion lernte Sitz, Platz, Bleib, Pfötchen geben und vieles mehr.
Mein bestes Fotomotiv
Als Fotograf habe ich mich auf Portraits von Tieren und ihren Menschen spezialisiert. Lion durfte mich oft zu meinen Shootings begleiten, weil ich ihn nicht alleine Zuhause lassen wollte. So konnte er auch gleich alles lernen, was er als Fotografen-Hund können sollte: Brav warten und geduldig sein, aber natürlich auch modeln. Lion sollte mein nächstes Model sein, an dem ich mich versuchen wollte. Er ist sehr fotogen und posierte, als gäbe es kein Morgen. Er hatte richtig Spaß daran.
Ich fand es schön, mit ihm zu arbeiten, und wollte gerne weitere Hunde fotografieren. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich jedes Foto war: Ein lachender Hund, ein fliegender Hund, ein bezaubernder Hund usw. Jeder Hund ist etwas Besonderes. Es macht mir Spaß, immer wieder neue Hunde und ihre Besitzer kennenzulernen. Aber am allerliebsten fotografiere ich meinen Lion.
Fazit
Seit Lion in mein Leben gekommen ist, habe ich gelernt, zu vertrauen, auch Verantwortung zu tragen, zu lieben und zu leben.
Nun begleitet mich Lion schon fünfeinhalb Jahre, das waren die schönsten Jahre meines Lebens, und ich freue mich auf alles Weitere mit ihm. Wenn du denkst, dass das Leben ungerecht ist und dich keiner liebt, hole einen Hund in dein Leben, arbeite mit ihm, und du wirst glücklich werden.
Gib einem Tierheim-Hund ein neues Zuhause, er wird dir ewig dankbar sein, dir Treue schenken und dich mit ganz viel Liebe überschütten!
Tolle Fotos von Attilio finden Sie auf Instagram: @Attiliophotography & @Dogphotography