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TCM-Serie: Teil 4 – Wandlungsphase Metall

201406 TCM2Der Herbst, die Zeit des Abschieds und manchmal auch der Trauer, manifestiert sich in den Assoziationen der Wandlungsphase Metall. Das die Wandlungsphase dominierende Yin-Organ ist die Lunge, das Organ, welches über das Qi und die Atmung regiert (Platsch, 2005). Die gerade im Herbst gehäuft auftretende Infektanfälligkeit und Atemwegserkrankungen lassen sich dadurch häufig nachvollziehbar erklären und dem Therapeuten die Möglichkeit offen, für seine entsprechend konstitutionellen Patienten entsprechende Vorsorge zu planen.

Im Huangdi Neijing, dem „Buch des gelben Kaisers“ (ca. 2698 – 2598 v. Chr.), bestehend aus den Teilen Su Wen (Suwen) und Ling Shu, wird die Wandlungsphase Metall wie folgt beschrieben (Platsch, 2005):

SUWEN 4:
Die Energie des Westens ist weiß.
Sie dringt in die Lunge ein und tritt an der Nase wieder aus.
Einen Teil dieser reinen Energie speichert die Lunge.
Wird sie gestört, ruft es Erkrankungen von Schulter und Rücken hervor.
Von den Geschmackskräften entspricht der Lunge das Scharfe, von den Elementen das Metall.
Von den Jahreszeiten der Herbst, und von den Gerüchen der modrige Geruch.
Daher weiß man, dass eine Erkrankung im Herbst oft an der Schulter auftritt, weil die Energie der Lungen zur Schulter fließt, und oft auch an der Haut und den Körperhaaren, weil sie von der Lungen-Energie regiert werden.

Tabelle: Salzmann-Wode

SUWEN 5: Der Westen erzeugt die Trockenheit.
Die Trockenheit das Metall.
Das Metall das Scharfe.
Das Scharfe erzeugt die Lunge fei.
Die Lunge bringt Haut und Körperhaar hervor.
Haut und Körperhaar erzeugt die Nieren.
Die Lunge beherrscht die Nase.
Im Himmel entspricht dies der Trockenheit, auf der Erde dem Metall und beim Menschen der Haut und dem Körperhaar.
Unter den Speicherorganen ist es die Lunge.
Von den Farben ist es weiß.
Und von der stimmlichen Äußerung entspricht es dem Schluchzen.
Bei verändertem Verhalten erzeugt es Husten.
Von den Öffnern entspricht es der Nase.
Vom Geschmack dem Scharfen.
Und von den Gefühlsregungen der Trauer. Zu viel Trauer schadet der Lunge, aber Freude bezwingt die Trauer.
Hitze schadet Haut und Körperhaar, aber Kälte bezwingt die Hitze.
Scharfes schädigt Haut und Körperhaar, aber Bitteres bezwingt das Scharfe.

Wenn nun diese traditionellen Ansätze auf die Symptome unserer Patienten übertragen werden, ergeben sich Zusammenhänge auf

  • das chinesische Organsystem (Lunge/Dickdarm)
  • saisonales Auftreten im Herbst
  • Auftreten von Erkrankungen mit Trockenheits-Symptomen
  • Erkrankungen durch Trockenheit
  • betroffene Organe bzw. Organsysteme sind die Atemwege, die Haut einschließlich der Behaarung und der Dickdarm
  • betroffene Körperregionen Schulter/Nacken
  • emotionale Befindlichkeit ist hier besonders Trauer
  • Bevorzugung/Ablehnung der Geschmacksrichtung scharf
  • modrig riechende Ausdünstungen
  • zeitliches Auftreten von Symptomen (3-5 Uhr Lunge, 5-7 Uhr Dickdarm)

Funktion der Lunge in der TCM

Finden sich innerhalb eines Erkrankungsmusters Symptome der Wandlungsphase Metall, so erfolgt eine Therapie über das Yin-Organ Lunge. Es handelt sich hierbei nicht um das anatomisch-physiologische Organ, sondern um ein energetisch ausgerichtetes Konzept der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Dem Yang-Organ Dickdarm obliegen mehr anatomisch-physiologische Aufgaben.
Die Lunge hat danach u. a. folgende Aufgaben:

  • sie herrscht über das Qi und die Atmung
  • sie kontrolliert die Leitbahnen und Blutgefäße
  • sie kontrolliert das Verteilen und das Absteigen von Qi und Flüssigkeiten
  • sie reguliert alle physiologischen Aktivitäten
  • sie regiert die Wasserwege
  • sie kontrolliert die Haut und den Zwischenraum zwischen Haut und Muskeln
  • sie öffnet sich in die Nase
  • sie manifestiert sich in der Körperbehaarung
  • sie wird von Sorge, Kummer und Traurigkeit in Mitleidenschaft gezogen

Die Lunge beherrscht das Qi und die Atmung

Betrachten wir das Qi des Gesamtorganismus, wird der Lunge eine zentrale Bedeutung zugeteilt.
Das Qi (zheng qi), im weitesten Sinne als Lebensenergie übersetzt, speist sich aus mehreren Quellen.

Nach Platsch (2005) ist die erste Quelle das reine Qi der Atmung (qing qi), die zweite Quelle das Nahrungs-Qi (gu qi, (wie bereits im Zuge der Wandlungsphase Erde erläutert, s. Mein Tierheilpraktiker 5/2014) und die dritte Quelle das Erb-Qi (yuan qi).
Das Atmungs-Qi entstammt direkt aus der umgebenden Atmosphäre, wird in der „reinen“ Form eingeatmet und der „unreinen“ Form wieder ausgeatmet. Dies entspricht auch der physiologischen Form der Sauerstoffaufnahme bei der Einatmung und der Kohlendioxidabgabe im Zuge der Ausatmung.
Die Lunge, ein eigentlich inneres Organ, nimmt daher über die Atmung direkt Kontakt mit der äußeren Atmosphäre auf und bildet hierdurch eine Verbindung zwischen dem Körper und der Außenwelt. Dies ist der Grund, warum gerade die Lunge empfindlich gegenüber der Einwirkung sog. äußerer pathogener (krankmachender) Faktoren ist.
Das wahre Qi (zheng qi) fließt in den Organen und Leitbahnen. Es wärmt, schützt und kann durch die Akupunktur beeinflusst werden. Auch das Qi besteht wie jede Substanz oder jedes Element in der taoistischen Sichtweise aus einem Yin- und einem Yang-Anteil.
Der Yang-Anteil des wahren Qis ist das sog. Abwehr-Qi (wei qi), welches durch eine gesunde Lungenenergie bereitgestellt wird. Das Wei qi fließt in den äußersten Körperschichten zwischen Haut und Muskulatur und schützt vor den „Angriffen“ sog. äußerer pathogener Faktoren, insbesondere vor Wind und Kälte. Die größte Aktivität des Abwehr-Qis ist tagsüber, während es sich nachts in den Körper zurückzieht.
Das Abwehr-Qi schützt und wärmt, reguliert die Poren und nährt das Körperhaar.
Das westliche Symptom „Abwehrschwäche“ ist daher gleichbedeutend mit Wei-Qi-Schwäche. Wei-Qi- Schwäche kann durch unterschiedliche Umstände entstehen. Eine erworbene Schwäche basiert meist auf Erschöpfung und/oder Stress. Wird dann eine Wind-Kälte-Invasion (westliches Symptom Erkältung) nicht richtig ausgeheilt, ist die Basis für eine tiefgreifende Immunschwäche bzw. Infektanfälligkeit gegeben.
Eine angeborene schwache Abwehr-Qi-Situation ist durch einen Erb-Qi (Yuan Qi)-Mangel in den Nieren gegeben. Daraus entstehen Erkrankungen des allergischen und atopischen Formenkreises, wie z. B. Asthma oder atopische Dermatitis.
Das Nähr-Qi (ying qi) ist der Yin-Anteil des Wahren Qis. Es befindet sich in den Leitbahnen, Blutgefäßen und den Organen, um diese zu ernähren.

Aus dem Qi der Atmung und dem Nahrungs-Qi ensteht das sog. Sammel-Qi oder Großes Qi (zhong qi), welches dann im Brustkorb verharrt und von dort die Lungen- und Herzfunktion unterstützt. Es sorgt für eine gute Versorgung aller Körperregionen mit Qi und fördert die Stärke der Stimme. Typische Symptome von schwachem Lungen-Qi sind demzufolge Müdigkeit, schwache, leise Stimme und Atemnot. Dies sind durchaus Symptome, die wir auch bei unseren Tierpatienten feststellen können.

Dieser Aspekt der Lungenenergie beeinflusst zu einem großen Teil auch die weiteren gelisteten Aufgaben, insbesondere das Verteilen und das Absteigen von Qi und Flüssigkeiten, die Regulation der Wasserwege, die Kontrolle der Haut und dem Raum zwischen Haut und Muskeln.

Die Lunge hat mit dem Herzen über die Körpersubstanzen Blut und Qi eine enge Verbindung. Das Herz regiert über das Blut und die Lunge regiert über das Qi. Aber Qi bewegt das Blut und Blut ist die Mutter von Qi.
So gesehen bedeutet „physiologische Aktivitäten“ die Versorgung aller Leitbahnen, Körperregionen und Organe mit Qi, demzufolge auch Blut sowie die Kontrolle der Atmung.
Eine Minderversorgung, gezeigt durch Qi- und/oder Blutmangel, Atemnot oder Schwäche, basiert auf einem Lungen-Qi-Mangel.

Die Lunge öffnet sich in die Nase

201406 TCM3Menschen und Tiere sind hauptsächlich „Nasenatmer“. Ist die Lungenenergie stark, dann verläuft der Atmungsvorgang physiologisch, die Nase ist durchgängig und der Geruchssinn gut.
Bei einer Schwächung der Lungenenergie kann es zu einem Verlust des Geruchssinns kommen, die Nase läuft und Niesen kann auftreten.
Wir erkennen diese Symptome sehr häufig als Beginn von Erkältungskrankheiten.

Eine tropfende Nase oder Niesen bei unseren Patienten sollte daher durchaus als ernstzunehmendes Symptom einer beginnenden Lungen-Qi-Schwäche gesehen werden. Ein therapeutisches „Eingreifen“ zu diesem Zeitpunkt verhindert oftmals tiefgreifende Lungenaffektionen.

Die Lunge manifestiert sich in der Körperbehaarung

Die Körperbehaarung hat einen direkten Bezug zur Haut. Die Lunge nährt über ihre Befeuchtungsfunktion die Körperhaare. Ist diese Funktion gestört, so sind die Körperhaare (hier: Fell unserer Patienten) rau, brüchig und trocken.

Die Lunge wird von Sorge, Kummer und Traurigkeit in Mitleidenschaft gezogen

201406 TCM4Die o. g. Emotionen sind in der Lage, die Lunge direkt zu attackieren. Sorge verknotet das Qi, Kummer und Traurigkeit erschöpfen das Qi.
Durch Sorge „verknotetes“ Lungen- Qi kann sich sowohl in Anspannungen in Schulter und Brustkorb zeigen als auch in „Verknotungen“ der Weichteile der Brust.
Traurigkeit und Kummer wirken erschöpfend auf das Lungen-Qi und dies äußert sich u. U. in einer kraftlosen Stimme. Das plötzlich auftretende Symptom unserer Patienten in Form von „Stimme weg“ ist sehr häufig durch einen emotionalen Insult bedingt. Weitere Symptome sind leichte Atemnot und Brustengegefühl.

Unsere Haustiere leben häufig in enger Verbundenheit mit uns und manche Individuen möchten stark gefallen und dem Tierhalter nur Freude bereiten. Aus derartigen Konstellationen ergibt sich, dass mögliche Trauer, Sorgen und Kummer des Tierbesitzers von diesen Patienten aufgenommen wird und hier zu Krankheitssymptomen einer Lungen-Qi-Schwäche führt.

Das Yang-Organ Dickdarm

201406 TCM5In der Chinesischen Medizin werden dem Dickdarm wie den meisten Yang- Organen häufig nur wenige Funktionen zugeordnet.
Der Dickdarm kontrolliert Weitergabe und Ableitung des Nahrungsbreis und wandelt den Kot durch Resorption der Flüssigkeit um (Maciocia, 2008).
Die Weitergabe- und Ableitungsfunktion ist abwärts gerichtet. Verläuft dieser Vorgang unphysiologisch, so treten in diesem Bereich Qi-Stagnations-Symptome wie Obstipation oder Aufgasung auf.
Sinkt das Qi des Dickdarms zu stark herab, kann es u. U. zum Rektumprolaps oder Kotabsatz mit Blutschlieren kommen. Aber: Organprolapsus stehen auch immer im Zusammenhang mit einem schwachen Milz-Qi!

Im Hinblick auf die Flüssigkeitsresorption innerhalb des Dickdarms muss auch ein Gleichgewicht herrschen, da es sonst einerseits zu trockenem Kotabsatz kommen kann und andererseits zu Durchfall.

Ein wichtiger psychisch-emotionaler Aspekt des Dickdarms ist das Thema „Loslassen“.
Loslassen auf körperlicher Ebene ist eben das Absetzen von Kot. Auf psychisch-mentaler Ebene bezieht sich der Prozess des Loslassens eher auf Dinge aus der Vergangenheit. Die Praxis zeigt, dass sich auch bei den Tierpatienten emotionale Befindlichkeiten auf körperlicher Ebene ausdrücken können.

Die Lunge steht über den Ko-Zyklus mit dem Herzen in Verbindung und über den Sheng-Zyklus mit der Milz. Lungenpathologien können daher nie isoliert betrachtet werden, sondern sind im energetischen Konsens des Gesamtsystems der Wandlungsphasen zu interpretieren.
An dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, dass die im vorliegenden und in den vorangegangenen Artikeln gegebenen Angaben und Interpretationen zum besseren Verständnis sehr vereinfacht und übersichtsmäßig dargestellt sind.
Um sich der eigentlichen Bedeutung der TCM bewusst zu werden und zur Erstellung einer korrekten Diagnose einschließlich Therapieplans, sind intensivere Studien notwendig.

In der kommenden Ausgabe wird abschließend die Wandlungsphase Niere erläutert.

BETTINA SALZMANN-WODE BETTINA SALZMANN-WODE
TIERÄRZTIN IN EIGENER PRAXIS

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