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Hundepsychologie: Von der Kunst, klein zu sein

THP 5 19 final korr Page7 Image1Als ich mich endlich dazu entschlossen hatte, einen Hund in mein Leben zu holen, dachte ich nicht daran, dass ein winziges Prager-Rattler-Mädchen mein Herz erobern würde. Ein Hund begann bei mir immer ab einer Größe, bei der ich mich nicht bücken musste, um ihn zu streicheln. Hunde waren groß, präsent und eben „DA“ – unübersehbar. Seit Jahrzehnten hatte ich mit Hunden zu tun, in jeder mir damals bekannten Größenordnung. Dann begegnete ich Akasha ...

An einem Tag im Mai 2018 entschloss ich mich, mir dieses winzige „Ding“ anzusehen, das ich im Internet auf meiner Suche nach dem passenden Gefährten für mich entdeckt hatte. „Ein Wurf Prager-Rattler-Welpen, fünf Mädchen, in gute Hände abzugeben.“ Dazu das Bild eines Hundes, so winzig, dass er auf meiner Handfläche Platz hätte. Zauberhaft und zuckersüß! Vom ersten Moment an, als ich diese winzigen Hundewelpen sah, war ich fasziniert, wie klein ein Hund sein kann.

Der Prager Rattler gehört zu den kleinsten Hunderassen der Welt, doch SO klein ließ mich staunen. Drei Mädchen waren noch da, die bei der Mutter im Körbchen lagen. Neugierig tappten sie herum und eines lief schnurstracks auf mich zu. Sie hatte zwei weiße Vorderpfötchen, die so winzig waren, dass selbst der Fingernagel meines kleinen Fingers daneben riesig erschien. Sie wog 700 Gramm und wirkte unglaublich zerbrechlich. Putzmunter, verspielt, neugierig und unerschrocken spielte sie mit mir, ließ sich auf meine Hand setzen und im Arm halten. Dort schlief sie erst einmal ein und blieb eine Stunde lang im Tiefschlaf. Es war klar, dass dieser Zwerg mein Herz gewonnen hatte. Es war tatsächlich die berühmte Liebe auf den ersten Blick, und ich bilde mir ein, von beiden Seiten. Sie sah mich so vertrauensvoll an. Als sie aufwachte, gähnte sie, reckte sich, kratzte sich hinter dem Ohr und leckte meine Hand. Als ich ging, tappte sie mir hinterher – ganz klar: Sie war mein Hund! Und ihr Name stand auch schon fest: Akasha.

Foto: Attilio Cullen

Eine Woche später holte ich sie ab. Die anderen Welpen waren schon fort, die Hundemama war mit der Familie im Zoo, damit den Kindern der Abschied von der Kleinen nicht so schwerfiel. Nur der Familienvater empfing mich. Akasha blickte mich an, als hätte sie auf mich gewartet. Sie sprang sofort in ihre Transportbox – in diese hatte ich ihre Kuscheldecke und ihr Kuscheltier gelegt. Im Auto schlief sie gleich ein … und zwei Stunden später setzte ich sie bei mir in ihr neues Zuhause. Zur Begrüßung machte sie mir einen Haufen ins Wohnzimmer mitten auf den Teppich. Sie war angekommen. Mit Bedenken erwartete ich nun die Probleme, die so viele mit ihren kleinen neuen Familienmitgliedern hatten. „Ach Gott, es hat sechs Monate gedauert, bis er endlich stubenrein war!“ – „Wochenlang mussten wir alle zwei Stunden nachts mit ihm raus.“ – „Bis er sich endlich an die Leine gewöhnt hatte ...!“ – „Alles hat sie angefressen!“ All diese Probleme hatte ich nicht! Akasha schlief ab der dritten Nacht komplett durch, und nach vier Wochen war die Kleine stubenrein. Ich war begeistert. Ein so kleiner Hund kann ja keine große Herausforderung darstellen, war ich mir sicher.

Doch ich hatte falsch gedacht. Ich war immer an große Hunde gewöhnt, mit Hunden kannte ich mich schließlich aus. Doch ein Toy war eine ganz andere Nummer. Plötzlich fiel mir auf, in wie vielen Löchern sich dieser Zwerg alleine in meiner Wohnung verstecken konnte. Akasha konnte hinter dem Klavier verschwinden, unter der Couch oder im Schuh meines Freundes (mit Schuhgröße 46 war das für sie eine kleine Höhle). Ich musste darauf achten, dass niemals ein Toilettendeckel oben blieb – sie sprang in alles, was sie nicht kannte. Sie wäre ertrunken. Sie wog 800 Gramm, als ich sie mit acht Wochen nach Hause holte. Sie passte in eine leere Packung Nudeln, in der ich ihre Leckerli zum Spielen versteckte und in der sie komplett verschwand, wenn sie diese herausholte. Sie passte in jede Handtasche und in jede Ritze. Ich gewöhnte mir an, nur noch barfuß oder in Socken herumzulaufen und zu schlurfen, um sie nicht zu zertreten, wenn sie zwischen meinen Füßen spielte. Ihre Knochen waren so zerbrechlich wie Salzstangen, sie war unglaublich fragil. Mein Freund scheute sich monatelang, sie auf den Arm zu nehmen, aus Angst, er mache sie kaputt. Mit besten Vorsätzen wollte ich Akasha nun an das „Gassi gehen“ gewöhnen, ganz langsam mal ein paar Minuten. Ich suchte in sämtlichen Hundeläden ein passendes Geschirrchen mit Leine, doch erfolglos, denn die kleinste bekannte Größe gab es für Chihuahuas, und die waren selbst als Welpen viel größer als Akasha. Sogar bei Katzengeschirren schlüpfte sie heraus. Nach drei Wochen fand ich im Internet ein winziges Geschirr, das ich ihr anlegen konnte.

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Die Außenwelt mit einem kleinen Hund zu erobern, wurde für uns zu einem manchmal gefährlichen Abenteuer. Nicht nur, dass jeder, der Akasha sah, sofort begeistert von ihr war. So ein kleiner Hund war für die meisten Menschen – vor allem für Kinder – eine Einladung, diesen ohne Rückfrage anzufassen, hochzunehmen, zu streicheln, zu füttern etc. Eine Frau machte Anstalten, mir Akasha aus dem Arm zu nehmen, als ich im Park mit ihr stand, mit den Worten: „Ich darf doch mal!“ Fassungslos starrte ich sie an. So eine Frechheit kannte ich nicht, bei einem Retriever würde das niemand tun. Eine andere Frau hob sie hoch, als Akasha einmal frei lief, und setzte sie kurzerhand in ihren Einkaufskorb. Ich explodierte, so wütend war ich. Mütter kamen gar nicht auf die Idee, mich zu fragen, ob ihr Kind meinen Hund vielleicht streicheln dürfe. Ich wurde ignoriert. Meist standen die Mütter neben mir, sahen den Hund an, dann ihr Kind und fragten dieses: „Willst Du den Hund mal streicheln?“ – „Hallo? Nur zu Ihrer Information: Das ist mein Hund. Wie wäre es, wenn Sie mich fragen?“ Nahezu jeder glaubte, er könne Akasha einfach so angrapschen, streicheln oder hochnehmen. In einem Restaurant kam ein Herr am Tisch hinter uns auf die Idee, unter meinen Stuhl zu greifen und Akasha aus ihrer Hundetasche zu nehmen. „Die ist so süß, die muss ich einfach mal knuddeln!“ Lange habe ich versucht, freundlich zu erklären, warum das nicht geht. Ich habe es inzwischen aufgegeben, denn ich musste feststellen, dass dies ein sinnloses Unterfangen ist.

Ein so kleiner Hund muss immer beschützt werden, das ist mein Job. Und den mache ich gut. Wir bekamen aufgrund Akashas Größe auch böse Worte zu hören: „Die sieht ja aus wie eine fette Spinne mit zu langen Beinen.“ Ich wurde als Tierquäler beschimpft, weil ich einen so kleinen Hund zwinge zu laufen. Wenn ich sie trug, wurde ich angemacht, dass ich einen Handtaschenhund hätte – ob er denn keine Pfoten hätte, mit denen er laufen könne? Jeden Monat durfte Akasha fünf Minuten länger am Stück gehen. Pro Lebensmonat fünf Minuten, dann gab es eine Pause. Die Knochen waren noch nicht ausmineralisiert, Bänder und Sehnen mussten sich festigen, der ganze Gelenkapparat war unentwegt im Wachstum und so verletzlich. Akasha musste langsam ihre Muskeln erproben und trainieren. Es gab noch etwas, das wir lernen mussten: den Umgang mit anderen Hunden. Mit besten Vorsätzen suchte ich nach einer Welpenschule für uns. Man wollte uns gar nicht nehmen, weil Akasha zu klein war. Beim wilden Spielen mit größeren Hunden konnte sie sich ganz leicht den Hals brechen. Eine freundliche Pfote auf ihrem Rücken von einem 20 Kilogramm schweren Hund konnte ihr das Rückgrat brechen. Akasha war zwar eine unerschrockene Hündin und auch vorsichtig, doch das konnte man von den anderen Hunden und ihren Besitzern nicht behaupten. „Die machen das unter sich aus!“, hörte ich oft beim Gassi gehen. Meine Anfrage wurde ignoriert: „Würden Sie Ihren Hund bitte an die Leine nehmen. Ich habe einen Welpen und sie wiegt noch kein Kilo.“ – „Der macht nichts.“ Klar, der will nur spielen. „Die ist noch nie auf andere drauf gesprungen!“ Und bei mir muss es auch nicht das erste Mal sein. Einmal wurden wir angeschrien, als ich einen Herrn mit freilaufendem Husky bat, seinen Hund anzuleinen. Akasha war an der Leine. Er ignorierte mich und sein Hund ging auf Akasha los. Ich blockte ihn weg. Ich wurde beschimpft. Sein Hund möge eben keine kleinen Hunde! „Und wenn Sie das wissen, warum leinen Sie ihn nicht an?“ Mir wurde entgegengeschmettert, ich solle nicht so frech sein und meine Ratte wieder einpacken. Noch vor zwei Jahren hatte ich mich selbst über Leute mit kleinen Hunden lustig gemacht, die ihnen Mäntelchen im Winter anzogen und sie in Taschen trugen. Nun lernte ich, dass ein Prager Rattler wirklich friert und eine Jacke braucht (er hat keine Unterwolle), und dass eine Tragetasche für die Sicherheit eines so kleinen Hundes lebenswichtig sein kann.

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Als ich das erste Mal mit Akasha auf einem Markt war, wurde mir klar, dass ich sie nicht an der Leine neben mir laufen lassen konnte. Man übersah sie und trat fast auf sie drauf. Trug ich sie „nur“ auf dem Arm, fühlte sich jeder eingeladen, sie zu streicheln und anzufassen. In einer Tasche ging das: Sie bekam keine Zigaretten ins Gesicht und keine Hände griffen nach ihr. Sie konnte sich darin einrollen und ich hatte die Hände frei. Eine Freundin, die wunderschöne Damenhandtaschen fertigt, war so lieb, eine für Akasha zu machen. Denn auch hier gab es Schwierigkeiten, die passende Größe für sie zu finden. Ja, Akasha war nun wirklich ein Handtaschenhund. Es ist schwierig, so klein zu sein. Den meisten Hundebesitzern ist das nicht klar, denn wer hat schon einen so kleinen Hund. Doch wäre es schön, wenn wenigstens der gesunde Menschenverstand Einzug nähme in so manchen Kopf. Auch wenn ein Retriever immer so lieb ist und toll spielt, er ist nun einmal nicht der passende Spielgefährte für einen 2 Kilogramm schweren Hund. Für Kinder ist ein Toy auch nicht das passende Haustier, denn natürlich ist er für sie wie ein lebendiges Kuscheltier, das man in einen Puppenwagen setzen, herumtragen, in Decken wickeln oder ins Planschbecken mitnehmen kann. Der Hund kann sich nicht wehren, er ist hilflos und bekommt Angst. Es ist dann nicht verwunderlich, wenn Hunde anfangen zu knurren und zu schnappen. Das geschieht nicht aus Bosheit, sondern aus Furcht. Auch hier fehlt es leider immer wieder am Verständnis der Eltern, wenn es um die Auswahl des Tieres geht. „Der ist so klein, der kann unser Kind beim Spielen nicht umwerfen!“ – „Wie süß, den kann unser Kind sogar selbst tragen!“ Das Entzücken ist nur einseitig, seien Sie versichert. Ich möchte mit meiner Erzählung eine Lanze brechen für die „Kleinen“, die so oft verkannt werden, und Verständnis wecken bei denen, die solche Zwerge oft belächeln. Akasha hat meine Sicht über Hunde und die Welt vollständig verändert. Sie ist ein unerschrockener Prager Rattler, ein Rattenjä- ger, am liebsten bei „ihrem Menschen“ und überall dabei. Eine Bereicherung, die mich jeden Tag zum Lachen bringt, und jedem, der uns begegnet, zaubert sie ein Lächeln ins Gesicht. Ein großes Glück auf vier Pfoten.

VERA ENGL

 

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