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Weidehaltung von Pferden: Gedanken vom tier-menschlichen Diwan

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„MEIN PFERD STEHT SOGAR BEI REGEN LIEBER DRAUSSEN“

201501 Diwan2Das Pferd ist genetisch ein Steppenbewohner und an Regen gewöhnt. Dort läutet der Regen im Frühjahr und Herbst den Beginn der Wachstumsphase ein und lässt den nassen Pferden den Wind um die Nase wehen. Wind klärt Gedanken, und das genießen auch Pferde. Wir sollten dies als Anregung sehen, bei Pferdehaltung genauer hinzuschauen. Ställe, die selten gemistet werden, in denen sich starke Gerüche von Schweinen, Hühnern oder Hundekot breitmachen, werden von Pferden gemieden, wenn wir ihnen die Wahl zwischen Weide und Stall lassen. Sammelt sich im Stall Mist an, weil nicht ausgemistet wird, entsteht Ammoniak, ein Reizgas, das u. a. zu Atemwegserkrankungen führen kann. In vielen Ställen gibt es Zonen, die Pferde mit Angst assoziieren, da herabfallende Strohballen knallende Geräusche verursachen, die für Pferde nicht zuzuordnen und deshalb angsteinflößend sind. Auch summende Geräusche von falsch montierten Steckdosen oder Lampen verursachen bei Pferden Stress. Pferde sind Fluchttiere und gehen unter derartigen Bedingungen auch bei schlechtem Wetter lieber nach draußen, als dem Stress im Stall ausgesetzt zu bleiben. Pferde genießen den Regen manchmal sogar und lieben den Wind, aber sie mögen es auch warm und trocken, sodass wir den Drang nach draußen auf jeden Fall dann hinterfragen sollten, wenn dieser immerwährend ist.

201501 Diwan3Bei starkem Regen nehmen Pferde eine für sie typische Körperhaltung ein. Sie drehen ihre Hinterhand frontal zum Regen, ziehen den Schweif ein und senken den Kopf. So vermeiden sie es, dass ihnen der Regen direkt ins Gesicht peitscht. Das zeigt uns, dass bestimmte Bedingungen auch draußen erfüllt sein sollten, damit Pferde sich wohlfühlen.
Wichtig sind Frischwasserquellen (ab sieben Pferden mindestens zwei) und Zugang zu Raufutter unter Einhaltung von vierstündigen Fresspausen, um Magengeschwüre zu vermeiden. Unerlässlich sind auch Wind-, Regen- und Sonnenschutz-Unterstände, die groß genug sind, um allen Pferden Schutz zu bieten. Vorteilhaft kann hierbei die Gestaltung von Nischen sein, damit rangniedere Pferde nicht von ranghöheren aus dem Unterstand gedrängt werden können.

201501 Diwan4Ein effizientes Weidemanagement kann prophylaktisch Wurmerkrankungen vorbeugen und Kosten sparen. Freilandhaltung ist daher nicht weniger arbeitsintensiv als Stallhaltung. Welche Haltung aber letztlich die bessere ist, bleibt fraglich. Zum Aufbau einer stabilen Herde müssen mindestens sieben Pferde zusammen gehalten werden. In Pensionsställen werden die Herden jedoch fast jeden Monat neu zusammengestellt, sodass auch die Rangordnung ständig neu gebildet werden muss. Kleinverbände und der von Reitern mitgebrachte und auf die Pferde übertragene Alltagsfrust stellen zusätzliche Stressoren dar, die nicht selten zu Problemen, Auseinandersetzungen und Verletzungen führen. Deshalb gibt es für die Pferdehaltung Leitlinien, die beim BMELV unter www.bmel.de eingesehen und als Broschüre heruntergeladen werden können.
Die Pferdehaltung hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verändert. Stand das Pferd früher in Einzelboxen und wurde vom Hofbetreiber selbst gefüttert, ausgemistet und auf die Weide geführt, so sehen wir heute überwiegend Offenställe.

Artgerechte Haltung ist immer ein Thema, das Diskussionsbedarf liefert. Neulich hörte ich z. B. einen Vater sagen: „Reitunterricht ist teuer, also lasst uns zu zweit oder zu dritt ein Pferd kaufen und es irgendwo unterstellen. Dann können die Kinder reiten, wann sie wollen.“
Doch das ist ein fataler Irrtum! Denn drei Elternpaare, drei Kinder und ein Pferd im Offenstall – das geht gar nicht! Ein Pferd irgendwo unterzustellen, wo es naturgemäß knöcheltief im Matsch steht und auf grüne Wiesen blickt, ist alles andere als artgerecht. Pferdehaltung muss dem Bedarf, dem Wohlbefinden und der Gesundheit des Pferdes gerecht werden. Und das auch dann, wenn die Kinder nicht ausreiten wollen. Wir haben nun mal keine Steppen am Stadtrand, auf denen wir unsere Pferde einfach abstellen können, wenn wir keine Lust zum Reiten haben.
In diesem Sinne: „Augen auf bei der Stall- und Weidewahl.“
Ihre Monika Heike Schmalstieg

Fotos: © Daniela Pavel – Fotolia, valpictures – Fotolia, Privat

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