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TCM-Serie: Teil 5 – Wandlungsphase Wasser

201501 TCM1TCM: DIE NIERE ALS HEIMSTATT DES LEBENSFEUERS

Es ist Winterzeit und traditionell ist dies die Zeit des Zurückziehens, der Entschleunigung und Regeneration von Energien. Diese Zeit ist ursprünglich vorgesehen, um wieder an die Quellen der eigenen Kraft zu gelangen. Es ist die Zeit der Wandlungsphase Wasser. Leider ist das Wissen darum in unserer heutigen hochaktiven Zeit vergessen. Nicht mehr im Fließen mit den Jahreszeiten und der Energie derselben zu leben, resultiert in Erschöpfungskrankheiten, die sich v. a. auch dem zugeordneten Yin-Organ der Wandlungsphase Wasser zeigen können. Das charakterisierende Yin-Organ ist die Niere, das Organ, welches die Quelle aller Yin- und Yang-Energien im Körper darstellt.

201501 TCM2Im Huangdi Neijing, dem „Buch des gelben Kaisers“ (ca. 2698 – 2598 v. Chr.), wird die Wandlungsphase Wasser wie folgt beschrieben (Platsch, 2005):

Suwen 5:
Der Norden erzeugt die Kälte …
Die Kälte das Wasser …
Das Wasser das Salzige …
Das Salzige erzeugt die Niere shen,
die Niere bringt Knochen und Mark hervor,
das Mark erzeugt die Leber …
Die Niere beherrscht die Ohren …
Im Himmel entspricht dies der Kälte …
201501 TCM6Auf der Erde dem Wasser und beim Menschen den Knochen.
Unter den Speicherorganen ist es die Niere.
Von den Farben ist es schwarz …
Und von der stimmlichen Äußerung entspricht es dem Seufzen …
Im veränderten Verhalten entspricht es dem Zittern
von den Öffnern den Ohren,
vom Geschmack dem Salzigen,
und von den Gefühlsregungen der Angst …
(Zuviel) Angst schadet der Niere,
aber das Denken bezwingt die Angst.
Kälte schadet dem Blut,
aber die Trockenheit bezwingt die Kälte.
Salziges schadet dem Blut,
aber das Süße bezwingt das Salzige.

Wenn nun diese traditionellen Ansätze auf die Symptome unserer Patienten übertragen werden, ergeben sich Zusammenhänge in Bezug auf

  • das chinesisches Organsystem (Niere/Blase)
  • das saisonale Auftreten im Winter
  • das Auftreten von Erkrankungen durch Kälte oder mit Kälte-Symptomen
  • betroffene Organe bzw. Organsysteme wie Knochen, Zähne, Fortpflanzung, allgemeine Alterserkrankungen, allgemeine Jungtiererkrankungen, Konstitution
  • die emotionalen Befindlichkeiten Angst und Wille
  • die Bevorzugung/Ablehnung der Geschmacksrichtung salzig
  • modrig riechende Ausdünstungen
  • das zeitliche Auftreten von Symptomen (zw. 17–19 Uhr Niere, 15–17 Uhr Blase)

Funktion der Niere in der TCM

Erkrankungsmuster und/oder Symptome, die sich der Wandlungsphase Wasser zuordnen lassen, werden über das Yin-Organ Niere behandelt.
Wie bereits bekannt, handelt es sich hierbei nicht um das anatomisch-physiologische Organ, sondern um ein energetisch-metaphorisches Gedankengut der Traditionellen Chinesischen Medizin. Dem Yang-Organ Blase obliegen noch mehr anatomischphysiologische Funktionen (s. u.).

Die „Niere“ hat danach u.a. folgende Aufgaben:

  • speichert die Essenz und herrscht über Geburt, Wachstum, Fortpflanzung und Entwicklung
  • erzeugt Mark, füllt das Gehirn auf und kontrolliert die Knochen
  • beherrscht das Wasser
  • kontrolliert das Empfangen des Qis
  • öffnet sich in die Ohren
  • manifestiert sich in den Kopfhaaren
  • kontrolliert die beiden unteren Öffnungen
  • beherbergt die Willenskraft
  • kontrolliert das Lebenstor

„Übersetzen“ wir nun auszugsweise diese Aufgaben in Symptomenkomplexe unserer Patienten:
Die Niere speichert die Essenz und herrscht über Geburt, Wachstum, Fortpflanzung und Entwicklung. Die Nieren-Essenz stellt eine besondere Art von Lebensenergie dar und bildet die Grundlage aller physiologischen Vorgänge. Sie wird vererbt und besteht aus einer Vorhimmelsund Nachhimmels-Essenz. Die Essenz wird in der Niere gespeichert und bestimmt Wachstum, Fortpflanzung, Entwicklung, Empfängnis und Alterungsprozess. Sie ist die Grundlage für das Nieren-Qi, sie produziert das Mark und bildet die Grundlage konstitutioneller Kraft. Krankheiten durch Essenz-Mangel sind i. Allg. Wachstums- und Entwicklungsstörungen bei Jungtieren, Unfruchtbarkeit, Knochenerkrankungen bei Adulten, lockere Zähne und vorzeitiges Ergrauen. Aber auch Schwerhörigkeit, Konzentrationsschwäche sowie allgemeine Symptome einer schwachen Konstitution, wie Anfälligkeit gegenüber Krankheiten, gehören dazu.
Die Niere erzeugt das Mark, füllt das Gehirn und kontrolliert die Knochen. Das hier genannte Mark hat eine tiefgreifendere Bedeutung als unser „normales“ Knochenmark. Es ist eine Art Nährsubstanz, welches die Knochen nährt und so zu einem kräftigen Skelett führt. Eine Abnahme dieser Nährfunktion führt u.a. zu Osteoporose oder zum Ausfall von Zähnen. Die Nährfunktion für das Gehirn spiegelt sich in einem guten oder schlechten Gedächtnis wieder. Auch hier wird deutlich, dass im Zuge von Alterungsprozessen – bei Abnahme der Nierenenergie – Krankheiten wie Gedächtnisverlust, Knochenschwäche oder Verlust der Zähne auftreten. Auch diese Symptome sehen wir häufig bei unseren geriatrischen Patienten.

201501 TCM3DIE NIERE BEHERRSCHT DAS WASSER

Die Niere hat auf unterschiedlichen Wegen Einfluss auf die Umwandlung und den Transport von Flüssigkeiten. Bei ausgeglichenem Nieren-Yin und Nieren-Yang wird u.a. Urin in physiologischer Menge und Aussehen gebildet. Nieren-Yang-Mangel führt zu viel hellem Urin, während bei Nieren-Yin- Mangel wenig dunkler Urin gebildet wird. Des Weiteren nimmt die Nierenenergie Einfluss auf die Flüssigkeitsumwandlung im Dünn- und Dickdarm und unterstützt die Milz bei Umwandlung und Transport von Flüssigkeiten im Körper.

DIE NIERE KONTROLLIERT DAS EMPFANGEN DES QIS

Hier geht es um die harmonische Wechselwirkung der Lungenenergie mit der Nierenenergie. Wie bereits besprochen führt die Lunge das durch die Atmung aufgenommene Qi nach unten. Die Niere empfängt dieses und hält es hier. Ist die Niere nicht in der Lage, das Qi zu halten, steigt es wieder nach oben („rebelliert“) und führt so zu Stauung im Brustkorb mit Atemnot. Eine schwache Niere ist daher häufig die Ursache von chronischem Asthma, welches auch bei Tierpatienten mittlerweile sehr häufig vorkommt.

DIE NIERE ÖFFNET SICH IN DIE OHREN

Bei einer Schwächung der Nierenenergie nimmt die Hörkraft ab und es kann Tinnitus auftreten. Schwerhörigkeit im Alter – auch bei unseren Tieren – lässt sich daher eindeutig mit einer Abnahme der Nierenenergie erklären.

DIE NIERE MANIFESTIERT SICH IN DEN KOPFHAAREN

Die Niere ernährt das Haar (Mensch) bzw. das Kopfhaar (Tier). Veränderungen im Glanz und (frühes) Ergrauen sind deutliche Hinweise auf einen Nierenenergiemangel.

DIE NIERE KONTROLLIERT DIE BEIDEN UNTEREN ÖFFNUNGEN

Die beiden unteren Öffnungen sind Urethra (Harnröhre) und After. Sie stehen in einer funktionellen Beziehung zur Niere, und eine Schwächung der Nierenenergie führt zu „Undichtigkeiten“ wie Harn- und/oder Kotinkontinenz. Auch dies sind Symptome, die wir häufig bei alten oder stark geschwächten Patienten sehen.

DIE NIERE KONTROLLIERT DAS LEBENSTOR (MINISTER-FEUER, MINGMEN)

s. u. Kälteerkrankungen

Zusammenfassend ergibt sich aus den Symptomenmustern, dass bei geriatrischen Patienten oder jungen Patienten mit Entwicklungsstörungen eine Grundlage der Behandlung die Stärkung der Nierenenergie sein muss.

PATHOLOGISCHES KLIMA „KÄLTE“

Kälte ist ein Yin-Faktor, der das Yang schädigen kann. Kälte wirkt allgemein verlangsamend und zusammenziehend. Kälte verlangsamt den Puls, die Bewegungen, den Qi- und Blut-Fluss. Bei langanhaltender Kältebeeinflussung kommt es letztendlich zur Qiund Blut-Stagnation mit entsprechenden Symptomen. Angst entspricht der Energie der Kälte. Auch bei Angst ziehen wir uns zusammen oder werden „steif“. Interessanterweise zeigen sich Angst und Kälte im gleichen Symptom, nämlich Zittern.

KÄLTE KANN ALS ÄUSSERE UND INNERE KÄLTE AUFTRETEN

201501 TCM4Äußere Kälte
Kälte ist ein äußerer pathogener Faktor und wird meist durch Wind in die Körperoberfläche hineingetragen. Besonders empfindlich ist die Kopf-Nacken- Region. Bei schlechter Abwehrlage werden die Poren bei auftretender Wind-Kälte nicht geschlossen. Kälte kann daher eindringen und durch die zusammenziehende Wirkung der Kälte wird diese in den obersten Körperschichten eingeschlossen. Der Patient zeigt dann die typischen Symptome einer Fülle-Kälte, wie Abneigung gegen Kälte, Frösteln/Frieren, ohne dass Wärmeanwendungen hilfreich sind. Weitere Symptome sind wenig Durst, Schüttelfrost, Blässe, Niesen und laufende Nase mit wässrigem Sekret. Sie sind bei aufmerksamer Betrachtung auch bei unseren Tierpatienten zu erkennen. Leider sind diese aber meist nicht so schwerwiegend, dass der Tierhalter deswegen einen Therapeuten aufsucht. Und so kann es von einer äußeren Fülle-Kälte zu einer inneren Kälteerkrankung kommen.

Innere Fülle-Kälte
Kann äußere Fülle-Kälte nicht ausgeleitet werden, entsteht innere Fülle- Kälte, die die inneren Organe Lunge, Magen und Blase erreichen kann (Platsch, 2005). Fülle-Kälte in der Lunge Kälte blockiert die Verteilung des Qis und der Feuchtigkeit. Typische Symptome sind Husten, Kurzatmigkeit und Bildung von kaltem Schleim.
Fülle-Kälte im Magen
Fülleerkrankungen sind immer ein akutes Geschehen. Im Magen entsteht es im direkten Zusammenhang mit dem Verzehr von kalter Nahrung, wie z. B. Eis, kaltem Wasser und kaltem Futter (aus dem Kühlschrank oder thermisch kalt, wie z. B. Rohkost, rohes Fleisch und Fisch). Es kommt dann zu Symptomen wie Völlegefühl, Übelkeit, Nahrungsbreistagnation. Die Symptome bessern sich durch Wärmezufuhr. Auch dies tritt häufig bei unseren Patienten auf. Insbesondere Nahrungsbreistagnation (Futter wird Stunden nach der Aufnahme erbrochen) wird häufig in der Praxis vorgestellt. Anamnestisch ist besonderer Wert auf die Futter- und Wasseraufnahme zu legen.
Fülle-Kälte in der Blase
Entspricht dem westlichen Syndrom der Blasenentzündung durch Kälte („Blasenverkühlung“). Durch Eindringen von Kälte, z. B. durch Liegen, langes Stehen auf kaltem Untergrund oder Schwimmen/Baden in kalten Gewässern, kommt es zur vermehrten „Nässebildung“ in der Blase. Der Urin kann trüb und flockig werden. Des Weiteren wird das Blasen-Yang geschwächt, was vermehrten Harnabsatz bis hin zur Inkontinenz bewirken kann. In diesem Stadium ist es sinnvoller, Wärme zu verabreichen, als mit einem Antibiotikum zu behandeln. Als Gegenreaktion zu einer lang anhaltenden Kälteeinwirkung reagiert der Körper mit verstärkter Wärme-/ Hitzebildung. Dies führt dann zum Symptom Fülle-Nässe-Hitze in der Blase, mit typischen Zeichen einer Blasenentzündung, wie Blut im Urin, dunklem Urin, wenig Urinabsatz, schmerzhaftem Urinabsatz.

201501 TCM5Innere Leere-Kälte
Chronische innere Kälte ist meist ein Ausdruck von Erschöpfung des Yang- Qis. Die Quelle des Yang-Qis ist das Mingmen-Feuer (Lebensfeuer) der Nieren.
In unterschiedlichen Quellen (u. a. Platsch, 2005) wird Mingmen als ein Energiezentrum im Unterleib bzw. zwischen den Nieren beschrieben. Aus diesem geht das Ursprungs-Qi (Yuan- Qi) hervor.
Eine Schwächung des Nieren-Yangs kann z. B. durch einseitige Ernährung, Überarbeitung, Überforderung und emotional durch Ängste, Sorgen und Trauer entstehen. Symptome zeigen sich dann v. a. in der Lunge, dem Herzen und der Milz.
Lungen-Yang-Leere
Entsteht einerseits durch andauernde äußere Kältebeeinflussung, einen Mangel an Lebensfeuer oder nicht verarbeitete Trauer. Symptomatisch treten Kurzatmigkeit, schwacher Husten mit Schwierigkeiten beim Abhusten, Kälteempfindlichkeit und kalte Extremitäten auf. Beispielhaft aus der Tierpraxis sind hier z. B. der geriatrische Patient, bei dem die Lebensenergie am Abnehmen ist, oder auch Tiere, die um ein Partnertier oder Besitzerverlust trauern.
Herz-Yang-Leere
Dieser Zustand entsteht durch Mangel an Lebensfeuer oder im Zuge emotionaler Probleme. Typische Symptome sind Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Bradykardie und Herzrhythmusstörungen. Dies ist auch bei unseren Haustieren nicht selten. Hier ist v. a. der geriatrische Patient betroffen und Tiere, die sich besonders eng an ihren Tierhalter angeschlossen haben.
Milz-Yang-Leere
Dies ist ein Syndrom, welches seinen Ursprung einerseits in einem Nieren-Yang-Mangel haben kann, andererseits führt eine dauerhafte Futteraufnahme von kalten Nahrungsmitteln oder zu viel intellektuelle Aktivität oder Grübeln zu einem Verbrauch der Milz- Energie. Hier finden sich dann Symptome aus dem Verdauungstrakt wie weicher Kotabsatz, Blähungen, aber auch wenig Trinkbedürfnis, Appetitlosigkeit, Müdigkeit nach dem Fressen, periphere Ödeme und die Neigung zu Blutergüssen.
Nieren-Yang-Leere
Symptome von Nieren-Yang-Mangel sind Schwäche oder Schmerzen im Knie- und Lendenbereich, große, sehr helle Urinmengen und Wärmevorliebe. Betrachten wir unsere Klientel, so stellen wir fest, dass diese Symptome im Wesentlichen bei sehr alten oder auch stark erschöpften Patienten auftreten.

DAS YANG-ORGAN BLASE

In der chinesischen Medizin werden der Blase wie den meisten Yang-Organen nur wenige Funktionen zugeordnet, wobei die Blase einen deutlich größeren Wirkungskreis hat als die anderen Yang-Organe (Maciocia, 2008). Die Blase nimmt großen Anteil an der Umwandlung von Flüssigkeiten im Körper, sie bildet den Harn und scheidet diesen aus. „Sie beseitigt Wasser durch Qi-Umwandlung“ (Maciocia, 2008). Die Energie wird der Blase von der Niere bereitgestellt. Es liegt daher eine enge Beziehung zum Lebensfeuer vor. Symptome einer Blasenschwäche (s.o.) und einer Schwäche des Lebensfeuers sind sich sehr ähnlich. Auch hier wird deutlich, wie wichtig eine intensive anamnestische Aufarbeitung von vorliegenden Symptomen ist.

201501 TCM8
Fazit

Mit dieser Beschreibung der Wandlungsphase Wasser ist der Kreis geschlossen und ich hoffe, dass ich Ihnen in der fünfteiligen Serie einen Einstieg in die Idee der Traditionellen Chinesischen (Veterinär-)Medizin geben konnte.
Natürlich konnte hier nur eine sehr übersichtsmäßige Darstellung erfolgen, was der Komplexität des Themas nicht gerecht wird. Es wäre im Übrigen vermessen zu glauben, man könne sich ein Jahrhunderte altes Wissen durch die Teilnahme an ein oder zwei Fortbildungen aneignen. Das gilt sinngemäß natürlich auch für andere Diagnose- und Therapiekonzepte, wie Ayurveda, tibetische Medizin, Homöopathie, schamanisches Wissen usw. Wir werden immer Schüler bleiben und das Leben ist unser Lehrer. Wir alle sind als Therapeuten aufgefordert, täglich mit offenen Augen und offenem Herzen auf unsere Patienten zuzugehen und jeden Fall unschuldig und neu zu betrachten.

BETTINA SALZMANN-WODE BETTINA SALZMANN-WODE
TIERÄRZTIN IN EIGENER PRAXIS IN HANNOVER

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