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Kaninchen auf der Psychologen-Couch

201606 Kaninchen1ÜBER DEN MEIST UNNÖTIGEN THERAPIEWAHNSINN BEI DER VERGESELLSCHAFTUNG VON KANINCHEN

Bei Kaninchen gibt es kein komplizierteres Thema als das der Vergesellschaftung. Und dafür gibt es häufig genannte Regeln, die z. B. besagen: 

  • Die Vergesellschaftung muss auf neutralem Boden stattfinden. 
  • Die Tiere dürfen sich vorher weder gesehen noch gerochen haben. 
  • Wenn die Vergesellschaftung nach 2 Wochen nicht zum Erfolg geführt hat, ist diese abzubrechen. Die Kaninchen sind zu separieren, und nach 4 Wochen kann man einen neuen Versuch starten. 
  • u.s.w.

In meinem Kopf leuchten nun Fragezeichen, denn nach 10-jähriger Kaninchenhaltung gelten für mich andere Regeln: 

  • Das neue Tier sollte charakterlich zu den Alteingesessenen passen. 
  • Das typische Bild von kuschelnden Kaninchen, die sich gegenseitig das Fell lecken, ist völlig auszublenden. 
  • Das Wichtigste sind Geduld und Verständnis.

201606 Kaninchen2

Fakt ist: Solange sich die Tiere nicht gegenseitig Verletzungen zufügen, die tierärztlich behandelt werden müssen, ist die Welt in Ordnung, auch wenn sie in der Gruppe nur nebeneinanderher leben und nicht kuschelnd ihr Dasein verbringen. Oft versuche ich den Besitzern anhand von menschlichen Beispielen zu erklären, welche Problematik vorliegt. Zum Beispiel: „Stellen Sie sich vor, es steht ein Fremder mit Koffern vor Ihrer Tür und möchte bei Ihnen einziehen. Da sind Sie auch nicht begeistert und wollen diesen doch erst einmal kennenlernen. Auch werden Sie nicht nach 3 Tagen mit ihm kuschelnd auf dem Sofa sitzen.“

Die notwendige Geduld des  Kennenlernens

„Je mehr der Fremde Ihre Charaktereigenschaften teilt, umso leichter und schneller werden Sie sich verstehen.“

Dazu gibt es heute so manche Tiertrainer und Tiertherapeuten, die von den Tierbesitzern einige hundert Euro verlangen, nur weil z.B. der Besitzer mit der Situation unzufrieden ist, dass der kastrierte Bock ständig am Po seiner Partnerhäsin riecht. Die Häsin würde sich das nur ungern gefallen lassen und ergreife jedes Mal die Flucht. Dieses Verhalten soll nun durch ein bestimmtes Training abgestellt werden.
Ich kann da nur schmunzeln! Denn hat der Bock nicht das Recht, sich über das Riechen am Po Informationen über die Häsin zu holen, um mit ihr zu kommunizieren? Muss denn die Häsin dabei stillhalten und dies erdulden?
Ins Menschliche übertragen heißt das: „Wie würden Sie reagieren, wenn jemand kommt und einfach an Ihnen riecht?“
Dazu muss aber auch gesagt werden, dass besagte Häsin an einer chronischen Magen-Darm-Erkrankung leidet und deshalb von ihrer Besitzerin öfter gewaschen wurde. Dadurch änderte sich ihr natürlicher Geruch, was logischerweise zu einer Irritation beim Bock führte. Durch das Riechen versuchte er dann zu erkennen, ob es auch seine Häsin ist.

In einem anderen Fall sind die Besitzer unzufrieden, dass ihre dominante Häsin ihre beiden Kaninchenfreunde alle paar Tage durch die Wohnung jagt und damit die erwartete Harmonie stört. Aber warum darf die Häsin nicht ihre Rangordnung klarstellen? Warum soll sie den anderen Kaninchen nicht zeigen dürfen, „wie der Hase läuft“?
In der freien Natur hat jede Kaninchensippe ihren Chef, der die Regeln festlegt. Das sichert das Überleben der Gruppe, und es gibt eine klare Aufgabenverteilung. Auch wenn besagte Häsin auf Abstand zu den beiden anderen Kaninchen lebt, bedeutet das nicht, dass sie nicht miteinander kommunizieren oder dass alle mit ihren Positionen unzufrieden sind.
Warum versucht der Mensch also, solche natürlichen Verhaltensmuster auszutreiben bzw. zu therapieren? Solange die Kaninchen einigermaßen friedlich zusammenleben und sich nicht gegenseitig zerfleischen, ist die Welt für sie nämlich völlig in Ordnung!

Die Haltung der Tiere spielt  eine große Rolle

Ausreichend Platz, 24 Stunden freie Bewegung, Spiel, Beschäftigungsmöglichkeiten und eine artgerechte Ernährung sind das, was Kaninchen brauchen, um glücklich zu sein. Eine abwechslungsreiche Gestaltung des Geheges mit ausreichend Platz kann sehr viele negative Eigenschaften ausbügeln.
Insofern müssen nicht die Kaninchen, sondern ihre Halter „therapiert“ werden, und zwar im Sinne von Aufklärung über Haltung und Sozialverhalten von Kaninchen, anstatt viel Geld in unnötige und nicht nachvollziehbare „Kaninchen-Verhaltenstherapien“ zu investieren.

In diesem Sinne – Geduld und Verständnis heißt die Devise!

SYLVIA RECHSYLVIA RECH
TIERHEILPRAKTIKERIN
MOBILE TIERHEILPRAXIS IN FELSBERG/SAARLAND


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