Kissing Spines beim Pferd – Teil 1
Wenn beim Pferd die Diagnose „Kissing Spines“ (KS) ausgesprochen wird, sind die meisten Besitzer erschüttert und denken sofort an die absolute Unreitbarkeit oder Schmerzen ihres Pferdes, die das Alltagsleben überschatten werden.
Über den gesamten Krankheitsverlauf, die Entstehung und die Ursachen dieses Krankheitsbildes sind sich die meisten Besitzer oder Reiter kaum bewusst. Was genau verbirgt sich hinter diesem Krankheitsnamen?
„Kissing Spines“ bedeutet übersetzt „küssende Wirbel“. Obwohl Küssen eine schöne Geste der Zuneigung ist, ruft sie in der Wirbelsäule (WBS) der Pferde enorme Schmerzen hervor.
Erste Anzeichen
Die ersten bewusst wahrgenommenen Symptome wie u. a. plötzlich auftretende, ungeklärte Lahmheit oder Rittigkeitsprobleme sind schon meist die Spitze des unüberschaubaren Eisbergs. In den seltensten Fällen registrieren die Besitzer/Reiter im Umgang mit ihren Pferden die zu Beginn noch kleinen Veränderungen am Körperbau oder im Verhalten. Nicht nur im Leistungssport sieht man leider viel zu oft, wie Pferde „über den Punkt“ geritten und somit sprichwörtlich „gebrochen“ werden. Die fehlende Sensibilität im Zusammenspiel Mensch & Tier wird in meinen Augen immer öfter als nicht beachtenswert empfunden und leider nicht gelebt. Aber genau darauf sollte es doch ankommen! Kleinste Hinweise oder erste Warnsignale, die uns die Pferde mitteilen, werden oft gar nicht beachtet, übergangen und mit der Aussage „Der stellt sich nur an“ oder „Da muss sie jetzt durch“ abgehakt. Wenn ein Pferd beim Putzen den Rücken entzieht, neuerdings den Sattel nicht mehr aufgelegt bekommen mag oder sich Sattelzwang beim Angurten entwickelt, sollte man spätestens aufhorchen und registrieren, dass etwas vollkommen falsch läuft, und der Sache auf den Grund gehen.
Explizit Rückenprobleme und deren Ursachen werden bei Pferden oft spät erkannt und folglich in der herkömmlichen Veterinärmedizin schnell vorrangig mit Schmerzmitteln behandelt, um rasche Erfolge bzw. kurzfristige SymptomAusschaltung zu erzielen. Wenn sich aber die Probleme steigern und die tiefgreifendere Ursachenforschung auf z. B. Kissing Spines hinweist, bleibt anfangs oft nur noch Ratlosigkeit zurück.
Was genau ist mit „Kissing Spines“ gemeint?
Wie entsteht diese Krankheit? Ist sie heilbar, das Pferd nicht mehr reitbar? Oder sogar im schlimmsten Fall eine Todesdiagnose? Mit diesen Fragen und weiteren Gedankenausführungen möchte ich ausführlich auf alternative Heilmethoden und Möglichkeiten hinweisen, um speziell an diesem Krankheitsbild aufzuzeigen, wie man schmerzfreie Stadien erreichen kann.
Aufschluss der Symptome bis hin zur Diagnose
Sobald der Tierarzt (TA) vor Ort entweder mit seiner bisherigen Behandlung der (Rücken-)Probleme keine Erfolge erzielt oder seine Vermutung über die Krankheit KS ausspricht, sollte die nächste Fahrt mit Anhänger in eine mit Bedacht ausgewählte Pferdeklinik sein.
Dort werden idealerweise sämtliche auftretenden Symptome und Beschwerden bei der Aufnahme notiert, wie die möglichen nachfolgend genannten Beispiele:
- Empfindlicher Rücken (z.B. beim Palpieren oder Putzen)
- Sattelzwang/Gurtzwang
- Schwierigkeiten der Balance, beim Biegen und Rückwärtsrichten des Pferdes
- Unklare Lahmheit (meist in der Hinterhand)
- Verminderte Leistungsfähigkeit/-wille
- Schwierigkeiten beim Kot-/Urinabsatz
- Verhaltensveränderungen (z.B. treten, beißen)
- Schwierigkeiten beim Bearbeiten/Beschlagen der Hinterhufe
- Schweifschiefhaltung oder abstehend/eingeklemmt
- Taktfehler, Umspringen in Kreuzgalopp
- Schmerzhaftigkeiten beim Hinlegen/Wälzen/Aufstehen
Während der Befundaufnahme sollten auch die Untugenden des Pferdes, der Umgang Mensch/Pferd sowie das dazugehörige Sattelzeug Beachtung finden, um eventuelle andere Krankheiten oder einfach nur einen falschen Umgang ausschließen zu können.
Die Grundlage einer klinischen Aufnahme beinhaltet nicht nur die Schilderungen des Besitzers/Reiters, sondern auch die komplette Untersuchung des Patienten. Dazu gehört die sorgfältige Betrachtung und Beurteilung des gesamten Körpers, der Zähne, das Austesten der Beweglichkeit der Gelenke sowie der Wirbelsäule (WBS), auch eine Blutbildanalyse. Eine Ganganalyse (mit und ohne Reiter) kann weitere Hinweise liefern und ist ebenso wichtiger Bestandteil im Eingangsbericht.
Die Anzeichen, die auch auf andere Krankheiten hinweisen, müssen genau differenziert und analysiert werden. Die symptomatisch am ähnlichsten verlaufende Krankheit ist eine Entzündung des Kreuz-Darmbein-Gelenkes. Wenn der Verdacht jedoch bereits durch schmerzempfindliche Reaktionen bei der Palpation sowie atrophierte Muskulatur und erhöhter Muskeltonus am Rücken auf KS hindeutet, ist eine Röntgenaufnahme der Brustwirbelsäule (BWS), der Lendenwirbelsäule (LWS) und des Kreuz-Darmbein-Gelenkes für eine fundierte Diagnose zwingend erforderlich.
Weitere Diagnostik-Methoden, um die Mutmaßung für KS zu untermauern oder im Idealfall zu widerlegen, sind z.B. Ultraschall/Sonografie, Thermographie, Szintigraphie und neurologische Untersuchungen. Anhand der nachfolgenden Erläuterungen möchte ich deutlich machen, wieviel Aussagekraft in den jeweiligen Methoden steckt.
Sonografie, als Ultraschall bekannt, ist ein Untersuchungsverfahren, das im orthopädischen Bereich zur Darstellung von Muskeln oder Bändern (auch Läsionen oder Rupturen) genutzt wird. Bei Rückenproblemen ist sie hilfreich, um Beschädigungen – meist am Ligamentum supraspinale – festzustellen oder ausschließen zu können.
Die Thermographie ist ein bildgebendes Verfahren zur Anzeige der Oberflächentemperatur von Objekten. Dabei wird die Intensität der Infrarotstrahlung, die von einem Punkt ausgeht, als Maß für dessen Temperatur gedeutet. Eine Wärmebildkamera wandelt die für das menschliche Auge unsichtbare Infrarotstrahlung in elektrische Signale um. Daraus erzeugt die Auswerteelektronik ein Bild in Falschfarben, seltener ein Graustufenbild. Auch wenn im Bild der Thermographie deutlich sichtbare Veränderungen zu erkennen sind, gibt sie lediglich Aufschluss über den Ort, aber nicht auf den genauen Sach- bzw. Verletzungsstand.
Um die knöchernen Strukturen diagnostisch auswerten zu können, sind Röntgenaufnahmen unumgänglich. Anhand dieser lässt sich gut differenzieren, ob die Dornfortsätze der Wirbelsäule sich nun „küssen“ – sich also bei Druck oder Bewegung berühren – oder bereits in einem weiteren Stadium verkantet/verschoben (Overriding Spines) sind bzw. ob sie sich mit oder ohne eine Knochenzubildung (Exostosen, auch Sklerosierungen genannt) befinden.
Welches Untersuchungsverfahren letztendlich seine Anwendung findet, entscheidet der behandelnde Arzt. Meist werden mehrere Verfahren durchgeführt, um die Diagnose sicherzustellen.
In der nächsten Ausgabe behandeln wir die herkömmlichen Therapien bei der Diagnose „Kissing Spines“.
ROSA-MARINA SINZIG
PFERDEOSTEOPATHIN
TIERHEILPRAKTIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
- Matrix-Rhythmustherapie
- Blutegeltherapie
- Klassische Homöopathie
- Kinesiologie (human/vet)
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