Irgendwann geht jeder mal nach Hause: Gedanken vom tier-menschlichen Diwan
Täglich fahre ich daran vorbei. Von der Autobahn aus ist nur ein Außengehege und die Aufschrift am Gebäude zu sehen: Tierheim Hannover.
Ich blicke über die Landstraße und sehe Unmengen von Autos während der Öffnungszeiten dort stehen. Es ist Samstag, ein Tag vor dem 2. Advent. Eigentlich wollte ich auf einen Adventsmarkt fahren, Kerzen kaufen. Da sehe ich wieder die vielen Autos. Es geht mir durch den Kopf: Was machen die da?
Neulich hatten wir im Landkreis eine Aktion zusammen mit der Kreiszeitung durchgeführt, in der es um Tiere aus dem Tierheim ging – Verhaltens- und Anschaffungsberatung. Eine kleine Stadt mit einem kleinen Tierheim, äußerst überschaubar, und es waren weitaus weniger Autos da. Ich verzichte auf die Kerzen, bin neugierig und fahre zum Tierheim. Schon am Eingangstresen muss ich anstehen. Leute mit Kindern, Paare und Singles, die schauen und sich informieren wollen und intensiv durch das Personal über Haltungsbedingungen aufgeklärt werden. Dann erfahre ich, dass viele der Autos den Tierpaten und Gassigängern gehören, die täglich vorbeikommen.
Ich darf mich umsehen und gehe zu den Hunden. Reihenweise leere Zwinger. Doch da hinten – da sind Hunde. Sie sind gelassen, ruhig und neugierig. Dort treffe ich u. a. „Carlito“, einen Bardino Mischling. Er kam 2007 aufgrund einer Beschlagnahmung ins Tierheim, weil er mehrfach Menschen gebissen hatte. Wegen dieser Vorfälle bekam er die Auflage, den Wesenstest machen zu müssen, den er inzwischen nach längerer Trainingsphase erfolgreich absolviert hat. Die Arbeit an seinem Verhalten muss stets fortgeführt werden, da er sich Fremden gegenüber immer noch teils defensiv, oft aber auch offensiv zeigt. Er wäre als Zweithund nur zu einer selbstbewussten, aber ausgeglichenen, nicht zu dominanten Hündin geeignet, mit Rüden ist er nicht verträglich. Kinder dürfen im neuen Haushalt nicht vorhanden sein.
„De Coco“ ist seit 2010 hier. Er ist in den Sommerferien einfach an der Autobahn ausgesetzt worden und kam so ins Tierheim. Als wachsamer Rottweiler-Schäferhund-Mix sucht er erfahrene und konsequente Hundefreunde, die dem dickköpfigen Rüden auch mal die Grenzen aufzeigen können. Außerdem hat er eine Spondylose und eine Hüftdysplasie und braucht ggf. Medikamente. Er springt und tollt jedoch trotzdem gerne herum und ist an einen Maulkorb gewöhnt.
Auch der temperamentvolle „Broccoli“, ein 2010 geborener schwarzer American-Stafford-Terrier, sucht mit seiner unsicheren Art erfahrene, konsequente Hundehalter ohne kleine Kinder.
Sogar niedliche kleine Terrier wie „Noodles“ begrüßen mich bellend oder knurrend, wie sie eben so sind.
Sie sehen, da wird es schon schwierig, die geigneten Besitzer zu finden. Bei einem der Hunde steht sogar „Vorsicht, leicht bissig“. Hinzu kommt das niedersächsische Hundegesetz zur Sachkundeprüfung für Ersthundehalter. Mal abgesehen vom Wesenstest mit Sachkundenachweis zum Führen von gefährlichen Hunderassen wie bei „Syrus“, der Bordeaux-Dogge mit Vorgeschichte.
Tja, ich denke, da werden die vielen Gäste wohl keinen Pfiffi zu Weihnachten finden. Liebhaber und Hundekenner sind eher gesucht. Ich frage das Personal und sie erzählen mir, wie froh sie sind, die Unterkünfte so leer zu sehen. Im neuen Jahr nach Weihnachten und zu den Ferienzeiten wird es, wie immer, wieder voll. So erkundige ich mich, wie lange Tiere wie Syrus oder Leopold in der Regel im Tierheim sind. „Sie können bleiben, bis sie sterben“, sagt die Tierpflegerin und strahlt mich an, aber „IRGENDWANN GEHT JEDER MAL NACH HAUSE!“ Gerade neulich habe sie nach Jahren wieder einen schwierigen Hund an die passende Person vermittelt. DAS GIBT MIR HOFFNUNG!
Nun gehe ich noch in die Katzenstation und stelle fest, dass auch hier nur wenig Tiere vorhanden sind. Katzen mit Katzen-Aids und nette Katzen, die noch Besitzer suchen, sind da. Aber keine Babies, die ja sehr gerne genommen werden. Dort ein schöner Raum zum Kennenlernen mit den Katzen. Im Gang steht eine Katzenverhaltenstherapeutin und klärt das Personal über das völlig normale, seltsame Verhalten aus der Sicht der Katze auf. Ich bin erstaunt! Echtes Fachpersonal.
Weiter geht’s zu den Kaninchen und Nagern. Auch hier eine entspannte Stimmung, ein Schlappohrhase (ich hätte ihn am liebsten mitgenommen) in Gesellschaft mit anderen Kaninchen und Meerschweinchen. Auch Kaninchen ohne Zähne, die Diätnahrung brauchen, wie man mir erklärt. Gut, denke ich, auch nicht das passende pflegeleichte Weihnachtsgeschenk. Das erledigt der freie Markt draußen. Es herrscht sowieso ein Vermittlungstop vom Anfang Dezember bis Januar, erfahre ich mit Freude. Kaninchen, Meerschweinchen und Co. sind keine Kinderspielzeuge, das würden die Käufer im Frühjahr merken und die Tiere zurückgeben – umtauschen gegen eine CD oder ein PC–Spiel. Die Lösung heißt Tierheim oder Aussetzen in die wilde Natur, völlig lieb gemeint die Freiheit schenken, damit man entspannt in der Urlaub kann!
Tiere sind keine Weihnachtsgeschenke. Was können wir tun? Klären Sie die Menschen auf. Es kann eine Patenschaft in Tierheimen für schwer vermittelbare Tiere übernommen werden, man kann Gassi gehen und sich mit dem Tier beschäftigen. Vieles ist möglich. Bevor ein Tier beim Züchter bestellt oder gar importiert wird, schauen Sie sich insbesondere ab Februar und in den Ferienzeiten in Ihren heimischen Tierheimen um. Dort gibt es liebenswerte Tiere, die ein Zuhause suchen. Fragen Sie, wo Sie als Tierheilpraktiker in der Verhaltenstherapie und in der Gesundheitsprophylaxe unterstützen können. So findet jeder irgendwann mal ein Zuhause und vielleicht sogar durch unsere Hilfe. Nur wer einem Tier gerecht werden kann, sollte ein Tier halten!
Mit besten Grüßen und Dank für Ihre Gedanken an die Tiere,
Monika Heike Schmalstieg