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Diabetes beim Kaninchen

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page30 Image2Selbst seit über 30 Jahren mit Diabetes mellitus gebeutelt, kann ich behaupten, dass „süß sein“ nicht immer ganz einfach ist. Diabetes beim Kaninchen entpricht in etwa dem Typ II beim Menschen. Früher wurde dieser auch „Alterszucker“ genannt, da überwiegend ältere Menschen aufgrund einer nicht mehr voll funktionsfähigen Bauchspeicheldrüse (Pankreas) daran erkrankten.
Mittlerweile ist der Typ-II-Diabetes auch bei jüngeren Personen (unter 50 Jahren) bekannt, deren Bauspeicheldrüse aufgrund von Adipositas und Bewegungsmangel nicht mehr ausreichend das Hormon Insulin produziert, um die großen Mengen an aufgenommenem Zucker (Glukose) in die Zellen zum Weitertransport zu schleusen.

Diabetes

Der Körper „überzuckert“, was gravierende Schäden an Augen (bis zur Blindheit), Nieren, Leber, Nerven und Herz-KreislaufSystem anrichten kann.
Beim Kaninchen ist in erster Linie von einer genetischen Veranlagung auszugehen, wenn das Thema Diabetes auf den Tisch kommt. Aber auch Faktoren wie eine entzündete Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), Infektionen oder Cortison-Gabe können eine Rolle dabei spielen, den Diabetes beim Kaninchen entstehen zu lassen. Selbstverständlich auch Fütterungsfehler (zu zucker- und stärkehaltiges Futter), Bewegungsmangel, Adipositas, Stress oder ein betagtes Alter.
Das Hormon Insulin, das in der Bauchspeicheldrüse von den Langerhans-Inseln (Gewebeinseln) produziert wird, dient dazu, den aufgenommenen Zucker (Glukose) in die Zellen zu schleusen, denn dort werden die Zuckermoleküle zur Energiegewinnung benötigt.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page31 Image1Die gewonnene Energie unterstützt jegliche Körperaktivität, wie Bewegung, Atmung, Gehirnaktivität und Herzleistung.
Stellt der Pankreas nun zu wenig oder gar kein Insulin mehr her, versucht der Körper durch verstärkten Durst (Polydipsie) und somit folglich vermehrtes Wasserlassen (Polyurie), den Zucker (Glukose) aus dem Organismus zu spülen.
Da den Körperzellen durch den fehlenden „Schlüssel“ Insulin die Energie fehlt, kommt es beim Kaninchen (wie bei allen betroffenen Lebewesen) zu verstärkter Nahrungsaufnahme (Polyphagie) mit oft ungewöhnlichen Vorlieben an Futter- bzw. Nahrungsmitteln.
Im fortgeschrittenen Stadium wendet sich jedoch das Symptom der verstärkten Nahrungsaufnahme und das Tier magert aufgrund von Fressunlust extrem ab (Anorexie). Das Kaninchen wird träge und apathisch. Die Augen zeigen oft eine Trübung (Katarakt).
Diese entsteht durch den hohen Zuckergehalt im Augenwasser. Die überschüssige Glukose lagert sich in der Linse ein, die dadurch aufquillt. So verschiebt sich die Anordnung der Linsenfasern und das Auge wird trüb.
Das Wort „Katarakt“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Wasserfall – man sieht wie durch einen Wasserfall. Weitere Folgen eines unbehandelten Diabetes sind Verlust des Felles (Alopezie), Übersäuerung des Blutes (Ketozidose), Lähmungen, Schwächeanfälle, Orientierungslosigkeit und Krämpfe bis hin zum diabetischen Koma.
Neben einer ausführlichen Allgemeinuntersuchung wird der erhöhte Blutzuckerwert sowohl anhand eines Blutbildes (großes Blutbild wegen Nieren- und Leberwerten!) sowie durch eine Untersuchung des Urins (Harn) ermittelt. Der normale Blutzuckerwert eines gesunden Kaninchens liegt zwischen 60 und 150 mg/dl.
Jedoch kann die Stresssituation (Tierarztbesuch, Autofahrt etc.) den Blutzucker auf über 300 mg/dl ansteigen lassen. Deshalb ist es ratsam, das Tier vor dem Check erst einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Dazu kann die Transportbox abgedunkelt werden, und vielleicht gibt es in der Praxis einen ruhigen, abgedunkelten Raum, in dem das Kaninchen sich eine halbe Stunde vom Stress erholen kann.
Ein genaueres Tagesprofil durch mehrere Blutzuckertestungen ist aussagekräftiger und bedarf einer stationären Aufnahme des Tieres über 2 – 3 Tage in der Praxis.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page31 Image2Die Diagnose bestätigt sich

Das Kaninchen ist noch süßer, als es eh schon ist: Es hat Diabetes!
Ich persönlich trage eine Insulinpumpe, die mir nach einem errechneten Profil stetig Insulin abgibt. Meinen Blutzucker messe ich mit einem CGM-System. Dazu dient ein Sensor am Oberarm, der kontinuierlich den Blutzucker über die Gewebeflüssigkeit unter meiner Haut misst und an einen kleinen Scanner oder mein Smartphone weitergibt.
Der Sensor wird alle 14 Tage gewechselt, das tägliche oft bis zu 10x in den Finger stechen, um einen Tropfen Blut zur Testung zu gewinnen, gehört zum Glück der Vergangenheit an.
Der Katheter der Insulinpumpe wird alle 3 – 5 Tage erneuert, das enthaltene Reservoir mit 3 ml Insulin in der Pumpe reicht bei mir etwa eine Woche. Es wäre schön, wenn es so etwas auch für Tiere gäbe!

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page32 Image7Diabetes-Management beim Kaninchen

Engmaschige Blutzuckerkontrollen durch konventionelle Messungen sind angezeigt. Das heißt: 2x täglich einen Tropfen Blut mit einer Stechhilfe an den Ohren gewinnen und diesen auf einen Teststreifen bringen, der in einem Blutzuckermessgerät steckt. Nach ein paar Sekunden erscheint auf dem Display der momentane Blutzuckerwert. Anhand dessen wird der Insulinbedarf ermittelt, und der Kaninchenbesitzer wird lernen müssen, seinem Tier 1 – 2x täglich Insulin zu injizieren.
Anwendung findet Caninsulin, das auch bei Hunden und Katzen mit Diabetes genutzt wird. Dabei handelt es sich um ein Langzeitinsulin. Die Dosis schwankt wegen der erhöhten Stoffwechselrate beim Kaninchen zwischen 1 – 2 I.E./Kg/Kgw (I.E. = internationale Einheit = Konzentration des Insulins). Die Injektion erfolgt in der Regel alle 12 Stunden.
Der Besitzer eines Diabetes-Kaninchens muss lernen, sein erkranktes Tier genau zu studieren, hohen Blutzucker (Hyperglykämie) sowie Unterzuckerung (Hypoglykämie) bei seinem Kaninchen erkennen zu können, um rechtzeitig gegenzusteuern.

ANZEICHEN EINER HYPERGLYKÄMIE (ÜBERZUCKERUNG)

  • sehr viel Trinken
  • vermehrt Urin absetzen
  • starke Müdigkeit (Trägheit)

ANZEICHEN EINER HYPOGLYKÄMIE (UNTERZUCKERUNG)

  • Zittern
  • Orientierungslosigkeit
  • schwankende Bewegungen
  • eiskalte Ohren

Eine art- und naturnahe Ernährung ist ein absolutes Muss! Wiese, Kräuter, Blättriges und Salate, Heu und Wasser, nur wenig (20 Prozent) Knollengemüse.
Nach einer Insulingabe wird empfohlen, ein kleines Stück Obst (Apfel oder Birne) zu füttern, um eine Unterzuckerung zu vermeiden.

Ein „zuckersüßes“ Kaninchen sollte regelmäßig dem Tierarzt vorgestellt werden, der alle wichtigen Blut- und Harnparameter überprüft, um Spätschäden so lange wie möglich hinauszuzögern.

Naturheilkundliche Begleitbehandlung

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page33 Image2UNTERSTÜTZUNG DER BAUCHSPEICHELDRÜSE
PANKREAS SUIS INJEEL oder PANKREAS COMPOSITUM
1 x täglich über 7 Tage 0,25 ml/Kg/Kgw s.c., anschließend 3x täglich 5 Tropfen/Kg/Kgw oral, über 4 Wochen (dann langsam ausschleichen lassen).

UNTERSTÜTZUNG DER NIEREN
SOLIDAGO COMPOSITUM
1 x täglich über 7 Tage 0,25 ml/Kg/Kgw s.c., anschließend 3x täglich 5 Tropfen/Kg/Kgw oral, über 4 Wochen (dann langsam ausschleichen lassen).
Im Frühjahr/Sommer Solidago (Goldrute) frisch von der Wiese verfüttern.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page33 Image1UNTERSTÜTZUNG DER LEBER
HEPAR COMPOSITUM
1x täglich über 7 Tage 0,25 ml/Kg/Kgw s.c., anschließend 3x täglich 5 Tropfen/Kg/Kgw oral, über 4 Wochen (dann langsam ausschleichen lassen).
Im Sommer Silybum marianum (Mariendistel) frisch verfüttern.
Alternativ Mariendistelsamen oder -kapseln (Drogerie) anbieten. 2x täglich das Gel einer Kapsel (Kapsel vorsichtig anstechen bzw. anschneiden und Gel von der Rückseite einer 1ml-Spritze in deren Kolben füllen) oral verabreichen.

UNTERSTÜTZUNG DES IMMUNSYSTEMS
Engystol (Ampulle)
1 x täglich 0,25 ml oral, 4 Wochen (dann langsam ausschleichen lassen).
Geriebenen, frischen Ingwer unter das Frischfutter mischen.

SYLVIA RECHTHP 4 20 aktualisiert 24820 Page33 Image9SYLVIA RECH

TIERHEILPRAKTIKERIN


TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Tierhaltungsberatung, Tierpsychologie, Tierheilkunde, spezialisiert auf Kaninchen und Meerschweinchen, Buchautorin

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