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Auswirkungen von Emotionen: Bei der Diagnose berücksichtigen

Foto: Shutterstock„DER KÖRPER IST DER ÜBERSETZER DER SEELE INS SICHTBARE“
(CHRISTIAN MORGENSTERN)

Unsere Tiere sind sehr sensible Geschöpfe, die für unsere Stimmungen empfänglich sind und diese sofort erkennen. Wenn wir z. B. Unsicherheit oder Angst zeigen, werden unsere Emotionen sofort übertragen, und selbst wenn wir Stärke vorspielen, lässt sich unser Tier nicht täuschen. So ist es häufig auch mit Krankheiten. Sowohl beim Mensch als auch beim Tier kann eine Erkrankung aus unterdrückten, nicht gelebten Gefühlen oder langanhaltendem Stress entstehen. Die Beschreibung der Emotionen in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und auch der Homöopathie macht deutlich, wie wichtig es ist, die psychischen Faktoren bei jeder Erkrankung zu berücksichtigen. Dies beschreibt Friedrich Samuel Hahnemann in §225 seines Organons der Heilkunst wie folgt:

„Es gibt dagegen, wie gesagt, allerdings einige wenige Gemütskrankheiten, welche nicht bloß aus Körperkrankheiten dahin ausgeartet sind, sondern auf umgekehrtem Wege, bei geringer Kränklichkeit, vom Gemüte aus, Anfang und Fortgang nehmen, durch anhaltenden Kummer, Kränkung, Ärgernis, Beleidigungen und große, häufige Veranlassungen zu Furcht und Schreck. Diese Art von Gemütskrankheiten verderben dann oft mit der Zeit auch den körperlichen Gesundheitszustand in hohem Grade.“

Auch in der TCM werden die Emotionen als Bestandteil der Gesundheit und Ausdruck der Einheit von Körper und Geist erklärt. Jedem Organ wird hier ein bestimmtes Gefühl zugeordnet. Eine Dysbalance im Sinne von Krankheit bedeutet, dass entweder die Emotionen zu stark werden oder die körperlichen Beschwerden zu emotionalen Zuständen führen. Dies wird den anderen pathogenen Faktoren gleichgestellt. In der Humanmedizin häufen sich die Fälle von emotionalem Stress und die Bedeutung von Burnout ist jedem geläufig.

Wir erkennen jedoch viel zu selten, dass gerade unsere Tiere ständigen Stressfaktoren ausgesetzt sind. Beim Pferd sind fehlende artgerechte Haltung, falsche Reitweise und Fütterung, keine ausreichenden Ruhephasen durch ständigen Lärm im Stall, Ärger mit dem Boxennachbarn etc. nur einige Beispiele, die zu einer Erkrankung führen können. Bei meinem nachstehenden Fallbeispiel wird klar, welche Symptome emotionalen Stress beim Pferd auslösen können und dies fand auch anfänglich zu wenig Beachtung in meiner Anamnese.

Fallbeispiel

Im Frühjahr letzten Jahres wurde mir ein 14-jähriger Wallach vorgestellt, der seit Jahren an Kotwasser litt und total abgemagert war. Sein Fell war schmierig und die Hufe schon seit Monaten nicht mehr behandelt worden. Er ließ keinen Hufschmied und auch keinen Tierarzt mehr an sich heran. Im Gegensatz zum Durchfall ist beim Kotwasser die Konsistenz des Pferdekotes normal, jedoch läuft oder spritzt bräunliches Wasser nach dem Kotabsatz aus dem After und rinnt die Beine hinunter. Dadurch kann die Haut stark in Mitleidenschaft gezogen werden und besonders schlimm wird dies im Winter, wenn die Feuchtigkeit auf der Haut friert und das Pferd überhaupt nicht mehr trocknen kann. Fütterungsfehler, Störungen der Darmflora durch vorausgegangene Antibiotikabehandlungen, Übersäuerung, Zahnprobleme, Darmparasiten sowie sozialer Stress sind u. a. für die Entstehung verantwortlich.
Durch eine Studie der Ludwig-Maximilian-Universität München wird belegt, dass sowohl Stress als auch psychischer Kummer die Motilität und Sensorik des Darmes verändern kann. („Feldstudie zu Risikofaktoren für den Absatz von freiem Kotwasser beim Freizeitpferd.“ Zehnder, C. 2009)

Im Verlauf des Gespräches stellte sich heraus, dass der Wallach auch vor einem Jahr sein gesamtes Fell verloren hatte und im Sommer eingedeckt werden musste. Aufgrund seines schlechten Zustandes und seines starken Senkrückens konnte er auch nicht mehr geritten werden. Der Wallach stand in einer Innenbox mit wenig Auslauf und Sozialkontakt und die Betreuung des Tieres wurde von einer Pflegerin übernommen. Als Ursache des Kotwassers nannte die Besitzerin die schlechte Fütterung im letzten Stall. In der Homöopathie bzw. in der Repertorisation hat die Ursache, die Causa einer Erkrankung, einen hohen Stellenwert, und hat man diese ermittelt, kann das passende Mittel sämtliche Begleiterscheinungen heilen. Die Erkennung der Causa führt aber auch zum Handeln, d. h., die auslösende Ursache muss vor der Behandlung abgestellt werden. Der Therapie sollte eine artgerechte Haltung, Ernährung und eine liebevolle Pflege zugrunde liegen.

Erst durch das „Gesamtpaket“ kann ein Erfolg erzielt werden und die Heilung von Dauer sein. Der Wallach wurde bei uns in einer Paddockbox mit direktem Kontakt zu einer Stute untergebracht, bekam regelmäßigen Koppelgang und ausreichend gesundes Heu. Die Besitzerin kümmerte sich auch wieder regelmäßig selbst um ihn. Das verabreichte homöopathische Mittel in Kombination mit Kräutern und Heilerde zur Stabilisation der Darmflora brachte sofort eine Verbesserung und der Wallach nahm an Gewicht zu. Sein Gangbild verbesserte sich und er baute wieder Muskulatur auf. Die anfängliche Scheu gegenüber fremden Menschen legte er ab und so konnte er auch vom Hufschmied wieder problemlos behandelt werden. Als sich die Besitzerin jedoch weniger um ihn kümmerte und bald darauf gar nicht mehr zu ihm kam, trat wieder eine Verschlimmerung der Symptome ein. Zusätzlich bekam er noch einen Hautausschlag mit abschälenden Flecken.

Foto: ShutterstockErst jetzt wurde mir klar, dass das Kotwasser durch emotionale Faktoren und den daraus entstandenen Kummer über die Vernachlässigung entstanden war. Das gewählte Mittel konnte demzufolge nicht ausreichend wirken, da eine andere Causa zugrunde lag. Nach den Regeln der TCM regiert der Lungenmeridian das Äußere des Körpers, also Haut und Fell. Der Lungenmeridian hat eine sehr große Bedeutung und ihm wird das Gefühl der Traurigkeit und der Sorge zugeschrieben. Dies erklärt auch den Verlust des gesamten Fells im Vorjahr, denn ich erfuhr, dass die Besitzerin schon in der Vergangenheit sehr wenig Interesse an ihrem Pferd gezeigt hatte und sie erst nach Monaten feststellte, in welchem Zustand es war. Der Hautausschlag war eindeutig ein Hilferuf der erkrankten Psyche des Tieres. Als ich die Besitzerin darauf hinwies, wollte sie zwar die Behandlung fortführen, stellte aber klar, dass sie keine Zeit mehr für das Tier hat.

Doch wie konnte ich zufriedenstellend helfen, wenn die emotionalen, pathogenen Faktoren nicht abgestellt werden konnten? Ohne liebevollen Zuspruch hat kein Individuum Interesse daran, dass sich sein körperlicher Zustand bessert, ganz im Gegenteil. Wenn Tiere spüren, dass sie nicht mehr gebraucht werden, verlieren sie ihre Motivation zur Genesung und geben oft auf. In Absprache mit der Besitzerin haben zwei Mädchen die Betreuung übernommen, die sich fürsorglich um den Wallach kümmerten. Erst jetzt konnten die verordneten Mittel ihre volle Wirkung entfalten und der Hautauschlag und das Kotwasser besserten sich bereits nach kurzer Zeit. Nach drei Wochen war der Wallach vollständig geheilt und wurde per Schutzvertrag verschenkt.

Da jede Therapie auf die einzelnen Symptome des Patienten abgestimmt wird, sollten in der Homöopathie keine Pauschalmittel verordnet werden, da diese zwar für kurze Zeit ihre Wirkung zeigen, aber bei chronischen Erkrankungen nicht zuverlässig heilen können. Ebenso sollte bei der Anamnese nicht aus den Augen verloren werden, welche Bedeutung Emotionen auf deren Entstehung haben. Diese wirken direkt auf den Körper ein, ohne vorher die Körperabwehr überwinden zu müssen. Deshalb ist es wichtig, die Lebensumstände, die zu einer Krankheit führen, vor Beginn der Therapie zu verbessern. Bleibt ein krankmachendes Umfeld bestehen, wird die Wurzel der Erkrankung nicht erreicht und es ist keine endgültige Heilung zu erwarten.

SILKE GRIEBEL SILKE GRIEBEL
TIERHEILPRAKTIKERIN SCHWERPUNKT PFERD
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TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE:

  • Akupunktur
  • Manuelle sowie neuromuskuläre Stimulationstherapie (Matrix)
  • Homöopathie
  • Phytotherapie
  • Dozentin an den Paracelsus Schulen Nürnberg und Heilbronn

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